DER WEINBAU IM AHRTAL

Von Landw.-Rat Hoffmann, Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler

Wenn an dieser Stelle über den Weinbau an der Ahr gesprochen werden soll, so ist es notwendig, einleitend darauf hinzuweisen, daß das Ahrweinbaugebiet mit 800 ha nur 1,3 % der Gesamtweinbaufläche im Bundesgebiet (62 000 ha) ausmacht. Der Anteil an der Weinversorgung Deutschlands ist aber noch viel geringer, wenn man die hauptsächlichsten europäischen Weinimportländer wie Spanien, Frankreich, Italien und die Balkanstaaten mit 4,3 Mill. ha Rebfläche zum Vergleich zieht, die mit riesigen Weinmengen den deutschen Weinmarkt beschicken.

Es ergibt sich bei einer Betrachtung dieser Zahlen ohne weiteres die Frage, ob der Ahrweinbau noch existenzberechtigt ist. Die Geschichte des heimischen Weinbaues lehrt, daß die Ahrwinzer schon von je her einen harten Lebenskampf führen mußten. Nur ihre Treue zur Scholle hat den Weinbau trotz vieler Stürme der Vergangenheit bis in die heutige Zeit erhalten.

Der Staat ist bestrebt, den Ahrweinbau zu unterstützen, denn in achtzehn Gemeinden finden rd. 2 000 Winzerfamilien ihren Lebensunterhalt. Außerdem leben viele Handwerker und Geschäftsleute indirekt vom Weinbau. Auch der ansässige Weinhandel, der im Vergleich zur Anbaufläche recht stark vertreten ist, hat zweifellos seine Existenz dem Weinbau zu verdanken.

Eng verbunden mit dem heimischen Weinbau ist der Fremdenverkehr, der die wirtschaftliche Lage des Ahrtals in hohem Maße bestimmt. Die große Zahl der Gäste wird in erster Linie durch den Wein angelockt, und darüber sollte sich das gesamte Fremdenverkehrsgewerbe klar sein, wenn von Seiten der Winzerschaft der Wunsch laut wird, für den heimischen Wein noch mehr zu werben. Die Winzerschaft und alle Betriebe, die direkt und indirekt vom Fremdenverkehr leben, haben wirtschaftlich gemeinsame Interessen. Keiner von ihnen wird auf die Dauer einen besonderen Vorteil genießen, ohne den anderen Teil zu schädigen und letzten Endes dabei selbst in wirtschaftliche Not geraten. Die Winzerschaft und alle Vertreter des Fremdenverkehrs sollten mehr als bisher diese Lage erkennen, miteinander arbeiten und alle Gegensätzlichkeiten großzügig überbrücken. Straußwirtschaften und Weinverkaufsstände sind an der Ahr zu Einrichtungen geworden, auf die der treu zu seinem Rebstock stehende Winzer gern verzichten möchte, denn sie lenken ihn lediglich von seinen Pflichten im Weinberg ab. Bei der Zusammenarbeit zwischen Winzerschaft, Weinhandel und Fremdenverkehrsgewerbe sollte nur ein großes Ziel im Vordergrund stehen, nämlich der Heimat zu dienen.

Die Aufgabe des heimischen Weinbaues besteht, wie auch in anderen Gebieten, in erster Linie darin, qualitativ hochwertige Weine zu erzeugen, die jedoch für den Verbraucher erschwinglich sein müssen. Die natürlichen Voraussetzungen (Klima, Lagen und Bodenverhältnisse) für die Erzeugung eines qualitativ hochwertigen Rotweines sind gut. Aber die steilen Lagen, die kleine Parzellierung und große Ernteschwankungen, in erster Linie hervorgerufen durch Frostschaden, bringen schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile mit sich. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß selbst vom Landesfinanzamt die jährlichen Bebauungskosten pro Hektar Weinberg mit 5000 DM, also einer sehr hohen Summe, eingesetzt werden. Die Bewirtschaftungskosten liegen z. B. in der Pfalz, in Rheinhessen und zum Teil auch im Rheingau bedeutend niedriger, und außerdem sind die Erträge um ein Mehrfaches größer.

Niederzissen mit Burg Olbrück im Hintergrund
Foto Stang

Seit Jahrzehnten sind die zuständigen Fachstellen darum bemüht, die Pflege- und Bewirtschaftungskosten an der Ahr zu senken. In anderen deutschen Weinbaugebieten ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, die Bodenbearbeitung, die Schädlingsbekämpfung u. den Transport aller im Weinberg zu bewegenden Materialien durch Maschineneinsatz zu verbilligen. Auch die Einführung der Drahterziehung und die «damit vereinfachte Laubbehandlung ersparen den Winzerbetrieben anderer Gebiete erhebliche Betriebskosten. Diese weinbaulichen Fortschritte kann jedoch leider das Ahrtal nicht ohne weiteres übernehmen. Als Vorbereitung wäre eine großzügige Zusammenlegung und der Bau von Weinbergswegen für Maschinen die erste Voraussetzung für eine Vereinfachung und Verbilligung unseres Weinbaues, es würde also die stark verzweigte Kleinparzellierung, die durch generationenlange Erbteilung entstanden ist, beseitigt werden. Ich muß allerdings hierzu bemerken, daß eine solche Zusammenlegung des Weinbergsbesitzes durch die Verschiedenartigkeit der Weinbergslagen und Bodenverhältnisse, durch die hiermit verbundenen erheblichen Kosten und „nicht zuletzt durch die konservative Einstellung beteiligter Winzer auf ungeahnte Schwierigkeiten stoßen würde. Die Folge eines solchen Planes, der zweifellos die Existenz unserer Winzer auf lange Sicht festigen würde, wäre ein Ernteverlust für mehrere Jahre, den sie wirtschaftlich nicht allein tragen könnten. In den übrigen deutschen Weinbaugebieten, in denen man wegen einer starken Reblausverseuchung den Pfropfrebenanbau einführte, sind derartige weinbauliche Reformen bereits mit bestem Erfolg durchgeführt worden. Das Ahrtal galt bisher als reblausfrei, doch wurden unerwartet im Sommer 1953 die ersten Reblausverseuchungen in Mayschoß festgestellt. Es läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen, ob es gelingen wird, einer weiteren Verseuchung Einhalt zu gebieten, oder ob auch die Ahr einer starken Reblausverseuchung anheimfällt. In diesem Falle wäre ‚der allgemeine Anbau von Pfropfreben unbedingt erforderlich und damit der Zeitpunkt gekommen, eine Zusammenlegung zu planen. In den letzten Jahrzehnten wurde immer wieder der Fehler begangen, daß man planlos die verschiedensten Rebsorten nebeneinander gepflanzt hat. Dabei wurden nur selten die besonderen Ansprüche der einzelnen Sorten berücksichtigt, insbesondere der Zeitpunkt der Reife. In jedem Jahr entstehen dadurch immer wieder dieselben Schwierigkeiten, denn es werden frühreifende und spätreifende Trauben fast zur gleichen Zeit geerntet, und so wird von vornherein die Aussicht auf eine Höchstqualität bestimmter Sorten zunichte gemacht. Der Schaden, der dadurch entsteht, ist beträchtlich. Es ist unbedingt anzustreben, in jeder Winzergemeinde autorisierte ‚Kommissionen einzusetzen, die für die gesamte Winzerschaft bindende Richtlinien über den Anbau einzelner Sorten festlegt. Die dadurch mögliche Hinausschiebung der einzelnen Lesetermine und die damit verbundene risikolose Gütesteigerung der Trauben wäre als Ergebnis die beste Werbung für unseren Wein.

Durch seinen Rotwein, und zwar durch den Burgunder, genießt der Ahrweinbau schon von jeher seinen guten Ruf. Nicht ohne Grund wird er in dem schönen Ahrlied von Max Bewer (Komp. Ulrich) besungen und gerühmt. Diese Rebsorte stellt jedoch hohe Ansprüche an den Boden und erfordert eine gute Lage. Sie ist sehr empfindlich in der Blüte und bringt infolgedessen mengenmäßig nur geringe Durchschnittserträge. Der Burgunderwein liefert jedoch Spitzenqualitäten, die an der Ahr von keiner anderen Rebsorte erreicht werden. Bei allen Qualitätsprüfungen und Prämiierungen auch übergebietlichen Charakters war es immer wieder der Burgunder, der allerhöchste Auszeichnungen erhielt. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß solche Anerkennungen für den gesamten Ahrweinbau eine wertvolle Werbung darstellen. Jedes Weinbaugebiet und nicht zuletzt die Ahr braucht Spitzengewächse zur Erhaltung seines Rufes. Die von der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler seit Jahren eingeleitete züchterische Verbesserung (Selektion) läßt in einiger Zeit größere Durchschnittserträge des Burgunders erwarten.

Neben dem Burgunder spielt der blaue Portugieser heute mehr als in früheren Jahren eine große Rolle. Er ist sehr ertragreich und liefert bei sachgemäßem Schnitt, guter Düngung und sonstiger Pflege in Weinberg und Keller dunkelfarbige, vollmundige, weiche Rotweine, die als Pokal- und Flaschenwein sich großer Beliebtheit erfreuen.

Der Anbau von Weißwein hat sich im Laufe der Zeit an der Ahr zwangsmäßig erweitert. Einmal stellte sich heraus, daß der Burgunder auf rebmüden Böden in seiner Leistungsfähigkeit zurückgeht, die nachgepflanzten Weißweinsorten sich aber wuchsfreudig zeigten. Entscheidend war jedoch die Feststellung, daß die Gäste an der Ahr den Weißwein immer mehr bevorzugten. Daraus haben andere deutsche Weinbaugebiete in der Vergangenheit einen Nutzen gezogen und erhebliche Mengen ihrer Weine an der Ahr abgesetzt. Demgegenüber ist der Absatz von Ahrrotwein in den in Frage kommenden Weißweinerzeugergebieten sehr gering. Unsere Winzer sind deshalb notgedrungen immer mehr dazu übergegangen, an Stelle des an und für sich geeigneten Rotweinbaues immer mehr zur Weißweinerzeugung überzugehen. Diese Entwicklung kann von fachlicher Seite aus nur gutgeheißen werden, solange die Erzeugung den Bedarf an der Ahr nicht überschreitet, denn es würde schwer fallen, für größere Weißweinmengen neue Absatzgebiete zu finden.

Eine Ehrenkrone ist das Alter …
Foto: Hehmke-Winterer

An der Spitze der Weißweinrebsorten steht der Riesling. Er ist in der Vergangenheit durch Unkenntnis seiner Ansprüche leider in Lagen gepflanzt worden, wo heute seine Reife häufig zu wünschen übrig läßt. Ich bin davon überzeugt, daß die Anpflanzung des Rieslings in schiefrigen, guten Lagen an der Ahr sehr wertvolle Weine liefern würde, die sich mit Rieslingweinen anderer Gebiete gut messen könnten. Versuchspflanzungen in dieser Richtung sind an vielen Stellen durch den Einfluß der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt im Gange.

Die Müller-Thurgau-Rebe gewinnt immer mehr an Bedeutung, weil sie auf tiefgründigen Böden nicht nur ansprechende Konsumweine, sondern auch qualitativ beachtliche Flaschenweine liefert. Der Wert dieser Sorte liegt auch darin, daß sie trotz einer gewissen Empfindlichkeit gegen Frost und Pilzkrankheiten sehr ertragssicher ist. Der frühe Mallinger spielt eine untergeordnete Rolle.

Der Maifrost 1953, der an der Unter- und Oberahr 80—100 % der Fruchttriebe im Weinberg zerstört hat, brachte allein für dieses Jahr einen Ernteausfall in Höhe von 2 Mill. Mark. Alle für unseren heimischen Weinbau verantwortlichen Stellen werden versuchen müssen, sich mehr als in letzter Zeit mit den Fragen der Frostabwehr zu beschäftigen. Es soll indirekt versucht werden, durch Aufforstungen bzw. durch Abholzungen die Kaltluftströmungen so zu beeinflussen, daß die Weinberge von ihnen verschont bleiben. Eine direkte Frostbekämpfung durch Räucherwehren, wie sie schon seit Jahrzehnten an der Ahr üblich sind, läßt einen Erfolg sehr schwer nachweisen. Nach Ansicht der Meteorologen ist es kaum möglich, stärkere Kälteeinbrüche durch Räuchern zu verhindern. Die Brikettheizung verspricht nach den jüngsten Erfahrungen bei sachgemäßer Durchführung und Frösten bis —5° Erfolg, sie ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden und wird von Sachverständigen nur in Qualitätslagen mit höheren Ernteaussichten empfohlen. Auch durch die künstliche Beregnung der Reben in den Frostnächten ist es nach diesjährigen Erfahrungen mit Sicherheit möglich, Frostschäden vorzubeugen. Abgesehen von den sehr hohen Kosten solcher Beregnungsanlagen müssen gegebenenfalls auch die erforderlichen Wassermengen zur Verfügung stehen. Ich will hiermit lediglich die Schwierigkeiten aufzeigen, die mit dem gesamten Problem der Frostbekämpfung zusammenhängen.

Die Güte der Weine wird jedoch nicht nur im Weinberg bestimmt, sondern letzten Endes durch die kellerwirtschaftliche Pflege geformt und gesteigert. Die Ansprüche der Weinkonsumenten sind in den letzten Jahrzehnten größer geworden. Das gilt auch für den deutschen Rotweintrinker, der heute dunkelfarbige, milde, samtige, säurearme und bekömmliche Weine verlangt. Noch nach dem ersten Weltkrieg war es üblich, die unentrappte Rotweinmaische (die Beeren mit Stielen und Kämmen zusammen) zu vergären. Die daraus entstandenen Rotweine zeichneten sich durch ihren besonders herben Geschmack aus. Saure Jahrgänge mußten jahrelang im Faß lagern, um verkaufsfähig zu werden. Auch an die Weißweine werden heute andere Ansprüche gestellt als in früherer Zeit.

Der heutige Stand der Kellerwissenschaft und die Entwicklung modernster Kellereimaschinen gestatten es, den genannten Ansprüchen Rechnung zu tragen. In den letzten Jahren wurden viele Versuche angestellt, um neue Wege für die Rotweinherstellung zu finden. Durch die Vereinigung der beiden Kellereibetriebe der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler und der Staatlichen Weinbaudomäne Marienthal wird es möglich sein, alle noch schwebenden, ungeklärten Einzelfragen bald zu lösen. Eines der zur Zeit wichtigsten Probleme

ist die Tankvergärung der Rotweinmaische. Die Fürst von Arembergsche Rentei-verwaltung Mayschoß hat 1952 als erstes Privatunternehmen an der Ahr einen Versuchstank aufgestellt, und im Herbst 1953 war es möglich, in der Domäne Marienthal zwei weitere Stahltariks in Betrieb zu nehmen, um die Frage der Tankvergärung zu lösen. Zum allgemeinen Verständnis will ich noch andeuten, daß hierbei das freiwerdende Kohlensäuregas im Faß verbleibt und der Inhalt dadurch unter starken Druck gesetzt wird, was eine Zügelung der Gärung ermöglicht. Nach den bisherigen Erfahrungen in anderen deutschen Rotweingebieten gestattet diese Art der Maischevergärung eine wesentliche Qualitätssteigerung.

Auf weitere weinbautechnische und kellerwirtschaftliche Fragen einzugehen, die einer Verbesserung bedürfen, verbie-

tet mir der hier zur Verfügung stehende Raum. Alle beziehen sich nur darauf, die Erträge zu steigern, die Qualität zu erhöhen und die Gestehungskosten des Erzeugnisses zu verringern. Seit Jahren werden an der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt, der Domäne Marienthal und in Privatbetrieben zahlreiche Versuche durchgeführt. Ob es sich hierbei im Weinberg um Pflanzenbestände, Erziehungsarten, Rebschnitt, Düngung und Schädlingsbekämpfung oder im Keller um Gär-und Schwefelungsverfahren, Rotweinverschnitt, Schönungsarten und Weinverbesserung handelt, ständig werden noch Erfahrungen gesammelt, die auf breiter Basis in der Praxis Verwertung finden müssen. Jahrelange Beobachtungen und Prüfungen sind erforderlich, um greifbare Resultate zu erzielen. Einiges ist schon erreicht und vieles muß noch getan werden.