Bauernkunst am Wege:

Ein Kalenderblatt von HarryLerch

Holzschnitzwerk der Vierzehn Nothelfer
Foto: Lersch

Wanderer, verweile . . . viele Schönheiten sind im Eifelland, verborgene und offene, kostbar oder von Bauernhand geschnitzt, und von einer solchen sei in diesen Zeilen die Rede. Es ist ein geschnitztes Bildwerk, das nicht flüchtig betrachtet sein will wie das schnellebige Bild des Augenreizes. An diesem rührenden Zeugnis einfältig schnitzender Hand soll das Herz ruhig schlagen.

Es ist ein Bildwerk der Andacht, ist holzgeschnitzte Kunst des Eifellandes. Niemand weiß, wessen Hand es war, die vor zweihundert Jahren die Schärfe des Messers ins weiche Holz grub. . . . Wer von der Kreuzung der Kirmutscheider Kirche abbiegt nach Wirft von der großen Kreuzung, sieht vor dem Dorf das kleine Wegekapellchen von kaum zwei Meter im Geviert, von einem hohen Baume überschattet. Anspruchslos steht es am Staub der Straße und verhüllt doch ein Holzbildwerk von inniger, sanftsinniger, rührend bemühter Schönheit, die stumm zu uns redet.

Wir sehen in den zwei Jahrhunderten, die das Holzbildwerk namenlos in der Welt ist, verschleiert viele stumme Szenen des Gebetes, die hier gesprochen wurden. Wir hören den Tonfall der Anrufungen, ohne sie im Worte wahrzunehmen. Da flehte eine Mutter um ihr krankes Kind, da bat einer, daß ihm in tiefer Schicksalsnot geholfen werde, da ersehnte ein junger Mensch Wegweisung im schweren Leben. Wie oft sind diese Gebete geflüstert worden als Rufe um Hilfe, in Bedrängnissen, in Stunden der Not — da sprach und flehte jeder zu seinem Fürsprecher unter den vierzehn Nothelfern. Da – da erkennen wir die Gestalten in den beiden Nischenreihen, jeder ein Vermittler, jeder ein Helfer, ein Freund, der das Erflehte weiterflüsterte . . . Edle Einfalt führte das schneidende Messer. Wie hält der junge, bärtige Georg die Lanze! Wie ist, mehrmals in den Jahrhunderten, die Rüstung dick übermalt worden von Silber und Schwarz! Ungefährlich fast scheint das Untier, das er besiegte … St. Blasius daneben mit Krummstab und weltoffener Haltung, Erasmus mit der Spindel, und wie hält Panthaleon die gebundenen Hände über dem Haupt! Getrost sieht er darein, sein Harnisch glänzt silberhell. Vitus hält sein Symbol in den Händen — ach, und Christopherus ist nicht der urwaldbärtige Fährmann mit zerzaustem Haar. Er hat seinen Stecken leicht in den Händen und braucht das Kind nicht auf den Schultern festzuhalten — jenes Kind, das der Herr der Welt war und sich ihm zu erkennen gab. Dionysisus trägt sein Haupt wie ein Wunder in den Händen . . .

An Cyriakus schwelte die Flamme einer Kerze, die eine Greisin am Herbstabend angezündet hatte, als es schon dunkelte am Eifelhimmel. Er hat kein Symbol in den Händen, noch sein Nachbar Achatius — die Zeit hat sie beraubt, aber sie stehen gelassen im alten Holz und öffnen die zweite Reihe. Nachbar ist dann Eustachius mit dem großen Kreuz, Aegidius reiht sich an, und nun die drei Frauen: auch Margaretha hat nichts in den Händen, die Jahrhunderte ließen wenigstens Katharina das Rad und Barbara den Kelch — im Flugsand der Zeit offenbart sich Verfall und Unzerstörbares zugleich, und nicht alles hat er genommen.

Wir wissen nichts vom Namen des Mannes, der das Schnitzmesser in den Händen hielt und seine Gedanken hatte über die Heiligen und die Menschen in der Welt. Schien ihm das Leben schwer oder leicht? War es ihm Glück oder Bürde? Dann gaben ihm die Vierzehn Nothelfer schon Trost, als er sie aus dem Holze schnitt und jedem sein Symbol gab, damit jedermann sie erkenne. War es ein wandernder Holzschneider, der seine Straße zog und im Dorfe anhielt? War es einer aus den Stuben der Fachwerkhäuser von Wirft?

Nichts wissen wir, er ist ohne Namen. Der Wind fegt eine Handvoll welken Laubes in die Kapellennische, als verwehre er, nach Namen zu fragen vor der Ewigkeit.