„Wo sie am höchsten ragen, die Felsen der Ahr …“

Beitrag zur Baugeschichte der Burg Are

Von Ignaz Görtz

Graf Theoderich I. von Are erbaute die Burg Are um das Jahr 1100. Die erste urkundliche Erwähnung der Burg finden wir im Jahre 1121, als der Kölner Erzbischof Friedrich I. das Kloster Steinfeld der Vogtei des Grafen Theoderich und seiner Nachfolger im Besitz der Burg Are unterstellte. Nach dem Aussterben der älteren Linie von Are gelangte die Burg mit umliegendem Gebiet an die Linien von Are=Hochstaden und Are=Nürburg. Gemäß dem 1164 geschlossenen, 12.02 unverändert erneuerten Vertrag sollte die Burg Are im gemeinsamen Besitz der beiden Familien bleiben mit Ausnahme der von ihnen selbst bewohnten Häuser. Diese ältere Anlage der Burg Are hatte also schon einen gewissen Umfang. Im Jahre 1205 gelangt Graf Lothar II. von Are=Hochstaden in den Alleinbesitz der Burg. Sein Sohn Lothar III. regierte von 1216 bis 1257. Ihm folgte sein Sohn Theoderich IV., der 1246 kinderlos starb. So erbten beide Onkel Propst Friederich und Erzbischof Konrad von Köln von ihrem Neffen die Grafschaften Are und Hochstaden.

Im Januar 1246 schenkte Graf Friedrich von Are=Hochstaden, Propst zu Xanten (1246—1265), mit Zustimmung seines Bruders Konrad, Erzbischof von Köln (1238 bis 1261), die Grafschaften Are und Hochstaden dem Kölner Erzstift. Die Burg Are wurde Mittelpunkt des umliegenden kurkölnischen Amtes Altenahr. Die Erzbischöfe von Köln als Besitzer der Burg verpfändeten öfters die Burg mit dem Amt Altenahr. Die Pfandherren waren gleichzeitig Amtmann und bewohnten zum Teil selbst die Burg Are. Im Jahre 1364 war die Burg an von Vlatten verpfändet, 1389—1421 an von Gymnich, 1426—1529 an von Vlatten, von Einenberg, von Plettenberg, 1584—1589 an von Gymnich, 1589 bis 1625 an v. d. Horst, 1625—1709 an von Gruithausen. Die Verpfändungen brachten es mit sich, daß die Burg während größerer Zeiträume in sehr schlechtem baulichen Zustand war. Die Pfandherren und Amtleute wohnten in vielen Fällen nicht auf der Burg, zum ändern wurden ihnen die Kosten von Reparaturen und Ersatzbauten nicht voll vergütet, waren also verlorene Zuschüsse. Eine Ausnahme bildete die Zeit der Pfandschaft Heinrichs v. d. Horst. Nach dessen Tode im Jahre 1625 ist die Burg in einem sehr guten Zustand, und daher liegt der unten folgenden Beschreibung das Bild der Burg zu Beginn des 17. Jahrhunderts zugrunde. Der Untergang der Burg Are beginnt mit dem Jahre 1690, als nach neunmonatiger Belagerung französische Truppen die Burg eroberten. Während dieser Belagerung hatte der schwere Beschuß die Burg stark zerstört. Größere Reparaturen wurden nicht durchgeführt. Im Jahre 1697 ziehen die Franzosen wieder ab, besetzen aber im Spanischen Erfolgekrieg erneut die Burg. Im Jahre 1706 löste eine Besatzung des Domstifts die Franzosen ab. Diese kurkölnischen Truppen wurden jedoch eine solche Landplage, daß im Jahre 1714 Kurfürst Joseph Clemens mit Hilfe der Amtsuntertanen und der Schützen von Ahrweiler die Burg belagern und erobern ließ. Auch diese Belagerung ging an der Burganlage nicht spurlos vorüber. Das Ende bringt die Unterminierung und Sprengung sämtlicher Bauteile. Das noch brauchbare Bauholz und die Hausteine wurden beim Neubau des Amtshauses am Fuße des Burgberges verarbeitet. So ist seit 1714 die Burg Are nur eine Ruine.

BAUGESCHICHTE

Wie das noch erhaltene Mauerwerk und die schriftlichen Aufzeichnungen ausweisen, erfuhr die Burg Are im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe von größeren Veränderungen und Erweiterungen. Die ursprüngliche Anlage dürfte den Bereich der Hochburg (zwischen 1, 5, 5, 7) und den ihr vorgelagerten, durch Mauer und Tor abgeschlossenen Zwinger (10) umfaßt haben. Im Jahre 1261 entfliehen die auf der Burg festgesetzten Kölner Bürger. Sie lassen sich von dem als Gefängnis dienenden Bergfried (i) auf das Dach der Kapelle (z) hinab. Vielleicht war damals auf dem aus der Hochburg steil herausragenden Felsplateau (zwischen t und 2) noch ein Burghaus dem Bergfried vorgelagert, das bei den späteren Umänderungen abgetragen wurde. Der Aufgang zum Felsplateau und Bergfried lag im Obergeschoß der Kapelle. Eine zweite Gebäudegruppe war der Eingangsturm (7) mit südlich anschließendem Burghaus (nördl. Teil von 5). Zwisehen beiden Gebäudegruppen schloß eine nördliche und südliche Wehrmauer die Burganlage. Die Ostseite begrenzt ein hundert Meter steil abfallender Fels, der Westseite ist der Zwinger vorgelagert.

Große Erweiterungen brachte das 14. und 15. Jahrhundert. Im Jahre 1347 ließ Erzbischof Walram die Burg stark befestigen. Die von Gymnich ließen während ihrer Pfandschaft vermutlich die „Gymnicher Porz“ (19) erweitern und das oberhalb gelegene Burghaus mit Turm (20) erbauen. Werner von Vlatten verpflichtet sich im Jahre 1426, 600 Gulden zu verbauen. Später übernimmt er gegen Zahlung von 100 Gulden die Instandsetzung des Brunnens (14) und den Bau von „stuve ind kammer tussen sal ind nuwen thorn“. Der hier genannte „Neue Turm“ ist der vor nicht langer Zeit erbaute sogenannte „Graue Turm“ (3). Der „Saal“ befand sich in dem alten Burghaus (5). Die neuerbaute Stube (später: „Große Stube“) und die Kammern ergänzten das alte Burghaus zu der heute noch erkennbaren Ausdehnung des „Hauptburghauses“ (5). In dieser Zeit wurde ferner der alte Torturm (7) auf der Nordseite durch einen abgeböschten Pfeiler (73) verstärkt, in den man nun den mit Spitzbogen eingewölbten Aufgang zur Hochburg legte. Im Verband mit diesem Pfeiler, also gleichzeitig, wurde die nördliche Wehrmauer (4) erneuert. Bei den Umbauten wurde der den Bergfried tragende Felsblock längs der Kapelle (2) auf etwa 4 m Breite abgetragen, um so einen Graben zum größeren Schutz der Hohen Warte anzulegen. Das weggebrochene Material dürfte bei den Umbauten verarbeitet worden sein. Der Aufgang zum Bergfried erfolgte nun längs der Nordwand der Kapelle, über den östlichen Felsgrat und dann auf einer in den Felsblock gearbeiteten schiefen Ebene aufwärts. Der Bautätigkeit des 14. und 15. Jahrhunderts dürften noch entstammen das untere Torhaus mit Tor (13), das auf gleicher Höhe auf dem östlichen Felskamm liegende Burghaus (15) und die zwischen beiden verlaufende Doppelmauer.

Das 16. und 17. Jahrhundert brachte nur geringe Veränderungen; Reparaturen und Ersatzbauten überwiegen. In den Rechnungsjahren 1549/50 und 1550/51 wurde ein neues Back= und Brauhaus anstelle eines alten, zerfallenen gebaut (9). 1550/51 ließ der Kellner auf dem Burghof gegen das Hauptburghaus ein „kleines Stübchen“ (6) anbauen. Kuh= und Pferdestall (11), beides Fachwerkbauten mit Strohdach, werden mehrmals erneuert und neu gedeckt. Im Jahre 1652 wird die Mauer „am obersten Krautgarten“ (12) auf 40 Schritt Länge erneuert.

BESCHREIBUNG

Im Anfang des 17. Jahrhunderts bietet die Burg folgendes Bild:

Von Altenahr führt ein mit Steinplatten ausgelegter Fußweg (22) aufwärts. Oberhalb des Weges am Nordwesthang des Burgberges liegt ein Burghaus (21), vermutlich das Burglehen Winteren der von Blanckart zu Ahrweiler. Der Fußweg vereinigt sich beim untersten Burgtor, der „Gymnichs Porz“ (19), mit dem vom oberen Roßbach hochführenden Reit= und Fahrweg (18). Oberhalb des Torhauses riegelt ein Burghaus (20) den Berg ab. Über einem Kellergeschoß liegen in zwei weiteren Stockwerken Wohnräume. Vom Speicher und oberen Stockwerk führt ein Zugang in den südlich anschließenden Turm, von dessen obersten Stockwerk man ins Tal nach Reimerzhoven hinabblicken kann. Das Burghaus mit Turm dürfte das Burglehen der von Gymnich sein. Der von diesem Burghaus (20) sich zum Bergfried (l) hinziehende Felskamm ist durch eingearbeitete Terrassen zur Verteidigung eingerichtet und im obersten Teil nicht zu ersteigen. Der Fahrweg (18) führt, nach außen durch eine Mauer gesichert, bis zu dem der Burg nordwestlich vorgelagerten freien Platz (16). Bis hierhin können Fuhrwerke fahren. Die weitere Beförderung erfolgt auf den Schultern der Amtsuntertanen, die zum Hochtragen, beispielsweise der Baumaterialien und Naturallieferungen, gegen Gewährung der Kost verpflichtet sind. Auf dem freien Platz stehen Kelterhaus und Scheune (17). Während des Jahres dient das Kelterhaus zum Unterstellen eines Karren und der Faßdauben und Reifen. Bei zahlreichem Besuch auf der Burg werden hier auch bis zu vier Pferden untergebracht.

Der Zugang zur Burg führt weiter um das „niedere porzhus“ (13) durch ein Tor. Auf der Höhe des Torhauses liegt auf dem östlichen Felskamm ein Burghaus (15), das vermutlich das „in der Burg Are“ gelegene Burglehen Effelsberg ist. Beide Gebäude verbindet eine Doppelmauer, die den Nordhang in seiner ganzen Breite abriegelt. Die innere der beiden Mauern liegt höher als die äußere und ist um 1,50 m zurückgesetzt, so daß eine Terrasse von dieser Breite durch den Hang läuft. Hier muß erwähnt werden, daß der Ost=, Süd= und Westhang von Natur fast uneinnehmbar sind, wogegen der etwas weniger steile Nordhang einer besonderen Sicherung bedarf. Die Burg erreichte diese Sicherheit, denn sie wurde nur einmal, im Jahre 1690, und dann erst nach neunmonatiger Belagerung, erobert. Hinter der Doppelmauer liegt der Brunnen (14), dessen Sohle bis zum Spiegel des Roßbaches hinabreicht. Der Hochburg nach Norden um eine Terrasse tiefer vorgelagert, liegt ein Garten (12), von dessen Terrasse der Nordhang und der Zugang zum Zwinger (10) verteidigt werden kann. Den Zwinger umgibt eine Wehrmauer, die beim Tor (13) beginnt und im Halbkreis bis gegen die Felspartie unter dem Hauptburghaus (5) verläuft. Parallel zu dieser Wehrmauer verläuft unterhalb eine weitere Mauer, die einmal als Stützmauer dient, zum ändern den Berghang nach Südwest sichert. Innerhalb des Zwingers, gegen die Hochburg angelehnt, stehen Kuh= und Pferdestall (11), die auch Schlafgelegenheit für die reisigen Knechte bieten. Über eine steinerne Treppe gelangt man durch den Torturm (7, 7 a) zur Hochburg. Der Torturm — wegen der im Dachstuhl angebrachten kleinen Glocke „Schellenturm“, wegen des nördlichen, abgeschrägten Pfeilers auch „Schiefer Turm“ genannt — besitzt über dem Tordurchlaß in drei Stockwerken je einen größeren Raum. Am oberen Ende der Treppe steht, gegen die nördliche Wehrmauer angebaut, ein kleiner Fachwerkbau (8) mit der „Wachtmeister= und Reuter=Kammer“. Hierbei, längs der nördlichen Mauer, befindet sich das Back= und Brauhaus (9), ein in den Jahren 1549 bis 1552 vollendeter zweistöckiger Bau, in dem Backofen, Braukessel und Räucherkammer untergebracht sind. Das obere Stockwerk dient der Lagerung von Getreide. Außen um das obere Stockwerk führt ein Gang, der jetzt den Zugang zum Bergfried (l) über eine Brücke vermittelt. An dem Torturm (7) schließt sich nach Süden das Hauptburghaus an (5). Im „Principal Burghaus“ liegen die meisten Wohnräume: Küche, Spind, ein kleines Kämmerchen, die „große Stube“; unter der „großen Stube“ ein Keller; im oberen Stockwerk die „Stubenkammer“ (oberhalb der großen Stube), die „Küchenkammer“ (oberhalb der Küche), die „kleine Kammer“ und die „Bischofskammer“. Auf dem Speicher wird Frucht gelagert. Außen gegen das Burghaus, auf dem Burghof, ist ein kleiner Bau errichtet, in dem sich das „kleine Stübchen“, das Arbeitszimmer des Amtmannes, befindet (6).

Längs der Südseite verläuft vom Burghaus (5) zum „Grauen Turm“ (3) eine Wehrmauer (4). Die Bezeichnung „Grauer Turm“ rührt daher, daß dieser Turm einen grauen Außenputz besaß, wie man sich überhaupt alle Burgen mit zum Teil verschiedenfarbigem Außenputz vorstellen muß. So ist der Bergfried im Jahre 1591 der „Weiße Turm“, weil er in den Vorjahren mit einem weißen Kalkverputz versehen wird. Der „Graue Turm“ wird an anderer Stelle „Pulverturm“ genannt, da in dessen Kellergeschoß Waffen und Pulver aufbewahrt werden. Der Turm (3) hat über dem Keller einen Raum zum Aufbewahren von Werkzeugen und leeren Fässern, darüber in zwei weiteren Stockwerken je einen großen, heizbaren Raum. Vom ersten Stockwerk führt, wie auch von der „Stubenkammer“ im Hauptburghaus, eine Tür auf den Wehrgang der Südseite.

An der Ostseite des Burghofes neben dem „Grauen Turm“ steht die Kapelle (2), ein zweigeschossiger Bau, zu dessen Obergeschoß eine Treppe an der Westseite hochführt. Auf dem Dach befinden sich eine kleine Glocke und eine Uhr. Im viereckigen Chorraum steht ein Flügelaltar, im Obergeschoß eine Handmahlmühle. An der Südwestecke der Kapelle ist eine ausgemauerte Zisterne, in die die Dachrinne, die um das Dach der Kapelle verläuft, mündet. Eine weitere Dachrinne sammelt am Burghaus das Regenwasser, das man in einer Tonne auffängt und in die Zisterne schüttet .

Im Bergfried (1) — im Jahre 1514 heißt er „Morenturm“ (More = Mauer), wohl. wegen der vielen Schutzmauern vor der Süd= und Westseite des Turmes — befinden sich keine Wohnräume. Er dient, wie schon im 13. Jahrhundert, als Gefängnis und in Zeiten der Gefahr als letzte Zuflucht. Bei der Erneuerung des Turmes im Jahre 1587 wird er als „des Hauses sonderliche vestung“ bezeichnet.

Wenn heute nur noch Ruinen dieser stolzen Anlage den Berg krönen, so vermitteln sie dennoch dem Besucher den Eindruck einstiger Größe. Schade ist nur, daß die noch vorhandenen Reste in den letzten Jahren immer mehr das Ziel von „Schatzsuchern“ wurden und mutwilliger Zerstörung ausgesetzt sind. Mögen sich doch alle verantwortlich fühlen und mithelfen, wenigstens den über die Jahrhunderte erhaltenen Bestand zu sichern!

Quellen: Außer der in den „Kunstdenkmälern“  der Rheinprovinz, Kreis Ahrweiler“, aufgeführten Literatur folgende Archivalien: Staats=Archiv Koblenz: 2.929, 2.1183/87, 2.1275. — Staats=Archiv Düsseldorf: Familienarchiv von der Horst, Nr. 1 und 2.