Wie die Nürburg einst aussah

Von Josef Zimmer

Foto: Josef Zimmer

BAUGESCHICHTE

Vor der durch Ulrich von Are erbauten großen Ritterburg diente der als Norberg bezeichnete Basaltfelsen als Fluchtburg in den unruhigen Zeiten nach der Verjagung der Römer aus den Rheinlanden. Nachgewiesen ist durch Münz, und Scherbenfunde (in meinem Besitz), daß der Norberg ein kleines römisches Kastell trug und sogar einer der Höhenpunkte war, die von den Römern zur Nachrichtenübermittlung zwischen Köln und Trier benutzt wurden. Für den dem Grafen von Are gehörigen Herrenhof Adenau scheint man schon im n. Jahrhundert eine kleine Schutzburg (etwa den Ziffern i, 2, 3, 4, 5 und 6 entsprechend) errichtet zu haben. Da Ulrich von Are den Herrenhof Adenau von seinem Vater erbte, wurde die Burg in großartiger Weise ausgebaut, wobei der gewachsene Fels teilweise als Mauerersatz stehen blieb. Das Baumaterial wurde in sehr geschickter Weise dem anstehenden Basaltfelsen, soweit er nicht als Mauerwerk-Ersatz stehen blieb, entnommen. Das Mauerwerk bestand also aus Basalt mit Mörtel aus Dreesev, Vulkandsand und Huttenkalk von der oberen Ahr. Durch geeignete Zusätze wurde eine Mörtelbindung erreicht, die in ihrer Zähigkeit unser Staunen erregt. Wo Wohnräume in Frage kamen, wurde das Basaltmauerwerk mit Weiberner Tuffstein verblendet. Treppen in den Gelassen gab es nicht. Die durchweg dreistöckigen Baulichkeiten hatten Außentreppen, die zu Holzgalerien führten, die die Gelasse sowohl in Breite als auch Höhe verbanden. Fensteröffnungen dürften nach dem Zwinger zu kaum vorhanden gewesen sein, und nur von 4 aus ging ein ziemlich breiter Balkon in großer Höhe nach außen, der die Mauer sehr reizend schmückte. Auch von 7 aus nach Nordwesten war ein Balkon angeordnet, der eine reizvolle Fernsicht zu den Ahrbergen bot.

Sämtliche Dächer waren mit Schiefer, nur der Burgfried (1) durch ein Bleidach gedeckt. Der Burgfried beherbergte im ersten Stock das Burgverlies, und erst im zweiten Stockwerk war ein Eingang, der von einer Galerie, die um den Hof 2 lief, zu erreichen war. Der heutige Eingang des Burgfrieds zu ebener Erde wurde erst 1889 in das 5 m dicke Mauerwerk gebrochen. 1555 ließ Herr von Braunsberg zu Brohl, wie aus den Prozeßakten seiner Witwe mit dem kurkölnischen Amt hervorgeht, den Bergfried neu errichten. Die Mauern der Burg waren innen und außen mit Hüttenkalk=Vulkansandmörtel verputzt, so daß ein reizvoller Anblick aus der Ferne sich darbot.

Durch das Aussterben der Grafen von Are=Nürburg fielen die Burg und die Grafschaff 1276 an das Erzstift Köln. Im Dreißigjährigen Krieg mehrfach belagert, teilte die Nürburg das Schicksal so vieler rheinischer Bürgen und Städte, im Jahre 1689 von den Franzosen zerstört zu werden. Nachdem Napoleon alle Kirchengüter eingezogen hatte, ging die herrenlose Ruine 1815 in den Besitz des preußischen Staates über, der jährlich an der Ruine arbeiten ließ, um sie vor dem völligen Verfall zu bewahren.

In hervorragendem Maße hat sich auch der jetzige Eigentümer der Burg, das Land Rheinland=Pfalz, der Instandsetzung unter Wahrung der ursprünglichen Grundrisse angenommen, so daß, nachdem der Burgberg von den überständigen Fichten befreit war, die Nürburg einen imposanten Anblick als Ruine gewährt.

BESCHREIBUNG

Im Grundriß wird dargestellt:

1 Der Burgfried mit anschließenden kleinen Treppentüren und in östlicher Richtung die sog. Schildmauer,

2 der Burghof mit

3 der Burgküche,

4,5 u. 6 die sog. Kemenaten (Frauenburg),

7 der Rittersaal,

8 die sog. große Stube,

9 der Knappensaal, 10 der kleine Hof nach dem Haupteingang

1oa der innere Hof vor dem Rittersaal, lob der innere Hof vor der Wohnburg, 11 der Burgbrunnen,

12 das zwischen 2 Rundtürmen eingefaßte, mit Fallgitter versehene Tor zur Hauptburg,

13 das Torhaus, welches den Zugang zum Burgbrunnen sichert,

14 die um die Hauptburg angeordneten Zwinger,

15 den größten Außenturm, den sog. Hauturm,

16 die Außentürme der Haupt= und Vorburg,

17 den Wehrgang an der Mauer, die die Außentürme 16 verbindet,

18 die Burgkapelle, die später Pfarrkirche wurde (1224),

19 ein Sassenhaus (Ritterhaus), 193 die Kaplanei,

20 den Pferdestall,

21 den sog. Weinbergsgarten

22 den Kuhstall mit Gesindehaus,

23 den (geheimen?) Gang zwischen Sassenhaus (19) und Kapelle (18),

24 eine Stützmauer, die die Vorburg gegen den Berg zur Hauptburg zu abstützte, so daß von der Stützmauer nordwärts noch Gartenland vorhanden war (es könnte auch ein Turnierplatz gewesen sein).

An den äußeren Turm (16) an der Südwestecke der Vorburg befantl sich ein in den Felsen gehauener Brunnen von 14 m Tiefe. Dieser wurde 1926 beim Rennbahnbau zugeschüttet.

Vor der Burg liegt in südlicher und südöstlicher Richtung das Dorf Nürburg, welches bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als Schlitz einen 4 m tiefen und oben 5 m breiten Wallgraben hatte, der dem Dorfe zu Palisaden trug. Der Wallgraben wurde erst im 13. Jahrhundert (laut Ausweis der Scherbenfunde) angelegt. Zum Schluß noch ein Wort zur Frage: Gibt es geheime Ausgänge aus der Nürburg?

Der Verfasser kann sich auf eine bis tief ins 17. Jahrhundert reichende Überlieferung seiner Vorfahren stützen, wenn er diese Frage verneint. Damit stimmt auch der deutsche Burgenforscher Pieper überein, der das Bestehen unterirdischer geheimer Ausgänge in das Reich der Säge verweist.