Remagen zur Römerzeit

Remagen zur Römerzeit

VON BERNHARD KOSSMANN

Die Römer bauten das Kastell Rigomagus am nordwestlichen Ende der Niederterrasse, die als „Goldene Meile“ zwischen Schloß Rheineck bei Oberbreisig und dem Apollinarisberge liegt. Das Kastell ist keine Gründung aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus (31 vor bis 14 nach Chr.), sicher auch kein Drususkastell, wie man früher annahm. Wohl hat der Feldherr und Kaisersohn Drusus im Jahre 12 vor Chr. die Germanenkriege begonnen, um noch die freien Völker zwischen Rhein, Main und Elbe zu unterwerfen. Zu diesem Zwecke schuf er dem Rhein entlang einen Offensivgürtel mit kurzlebigen Lagern, um die Legionen und Auxiliartruppen (Hilfstruppen) zum Kampf gegen die Germanen bereitzustellen. Von Palisaden, Türmen und Holztoren kann noch keine Rede sein. Ausgehobene Gräben und die als Wall aufgehäufte Erde boten den Truppen die erste Sicherheit. Es konnte am Rhein kein einziges „Drususkastell“ als Dauereinrichtung festgestellt werden. Es handelte sich um provisorische Marschlager, die meist bald überflüssig wurden, wenn die Truppen ins rechtsrheinische Gebiet vorgeschoben waren.

Ganz anders als die Drususlager wurden die frühesten Befestigungswerke von Remagen gebaut. Man verwandte darauf viel Mühe und Material, obwohl bei Remagen ersichtlich ist, daß es sich nicht als ein Ausfalltor bei einer Offensive ins rechtsrheinische Gebiet eignete. Die Berge treten Remagen gegenüber schroff an den Huß heran, daß ein Truppenaufmarsch dort kaum möglich ist. Zudem führen von hier aus keine nennenswerten natürlichen Straßen ins freie Germanien wie bei Mainz, Bonn, Neuß und Xanten.

Remagen war wohl als ein Defensivkastell gedacht. Es hatte die Aufgabe, die Rheinschiffahrt zu schützen und die ins linksrheinische Hinterland führenden Straßen, insbesondere ins Ahrtal, zu sichern, damit die Rhein grenze gehalten werden konnte.

Wie man der frühesten Befestigungsmauer von Remagen auf die Spur kam

Zu Beginn des Jahres 1900 begannen die Erdarbeiten für den Neubau der katholischen Pfarrkirche. Bei den Ausschachtungen für die Turmpfeiler mußte man in dem aufgeschütteten Boden des alten Kirchhofplatzes bis zu einer Tiefe von 7 m vordringen. Dabei machte man in einer Tiefe von 5 m wichtige Funde, die auf frühere Befestigungsanlagen hinwiesen. Nun begannen die Archäologen des Bonner Provinzialmuseums, die Herren Lehner, Hagen und Kocnen, ihre Forschungsarbeit. Sie stießen in die Urgründe der Frühgeschichte vor und brachten Klarheit über die älteste Befestigung,

die Holz-Erde-Mauer

des Kastells Rigomagus.

Man fand in der Tiefe 11 runde Eichenpfähle in einem Abstand von ungefähr 1,80 m. Sie hatten eine Dicke von 0,25 bis 0,30 m, und die Höhe reichte bis zu 3,00 m. Diese Pfähle hatten sich in dem feuchten Lehmboden gut erhalten und konnten noch aus der Erde herausgenommen werden, doch hatten sie dann keine lange Lebensdauer mehr. Sie saßen zugespitzt oder auch glatt abgeschnitten mit Holz und Steinen verkeilt senkrecht im Boden. In der Erdwand der Baugrube wurden schrägstehende Pfahllöcher gefunden. Diese dünneren Pfähle dienten offensichtlich der Versteifung der dickeren senkrechten Pfähle, die man mit Hilfe von Balken, Dielen und Flechtwerk (Faschinen) zur Herstellung einer Palisadenwand benutzte. Parallel ?.u dieser Wand stand in einem Abstand von 2,50 m eine zweite Holzwand von gleichem Bau. Der Raum zwischen den Wänden war mit Erde ausgefüllt, festgestampft und abgestützt. Diese Holz-Erde-Mauer diente dann den Soldaten als Postengang und dem Kastell als Schutz. Es ist wahrscheinlich, daß das Erdkastell einen Doppelgraben um sich hatte, jeden von ungefähr 3 m Breite und 1,50 m Tiefe. Ein solcher Doppelgraben war schon erforderlich, um einen Erdwall von diesen Ausmaßen überhaupt füllen zu können.

In der Tiefe fand man in derselben Schicht Scherben von frührömischen Sigillatatellern, wonach man auch die Entstehungszeit der Befestigung feststellen konnte. Diese und andere Funde widerlegen auch die frühere Annahme, daß Remagen ein Drususkastell gewesen sei. Rigomagus wurde vielmehr in der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14 bis 37 nach Chr.) angelegt, wohl in der Frühzeit seiner Regentschaft

im Jahre 16 nach Christus.

Kaiser Tiberius gab die Eroberung Germaniens, die viel Gut und Blut gekostet hatte, auf. Er verteilte die Rheinarmee auf Garnisonen und schuf die Legionslager und Auxiliarkastelle dem Rhein entlang, darunter auch das Kastell Rigomagus. Es war ein Kohortenlager mit durchschnittlich 360 bis 500 Mann Auxiliartruppen (Hilfstruppen) unter dem Kommando eines Römers.

Die bei der Ausschachtung gefundenen Palisadenpfähle bilden die Südfront des Erdkastells. Dann findet die Holzerdemauer ihre Fortsetzung von der Kirche unter dem gotischen Kirchtor hindurch, streift den Eingang der Via decumana und der Kirchstraße am Pfarrhaus und führt in gerader Richtung hinter den Häusern der Bach-Straße entlang. Hinter dein Hause Bachstraße 6 (Energieversorgung Mittelrhein) macht die Erdmauer eine Wendung von fast 90 Grad und verläuft in östlicher Richtung hinter dem Rathaus entlang. Sie überquert nun die Kirchstraße mit dem Eingangstor der Via principalis und nimmt in gerader Richtung den Weg zum Rheine hin. Die Brandschichten, die man im Verlauf der Holz-Erde-Mauer fand, die auch noch Scherben vom Ende des 1. Jahrhunderts enthielten, deuteten eine Katastrophe an, die über das Kastell hereingebrochen war. In den Wirren des Bataveraufstandes (69 bis 70 n. Chr.), dieTacitus uns in seinen Historien (IV, 61) anschaulich schildert, wurden nicht nur die augustisch-tiberischen Legionslager in Schutt und Asche gelegt, sondern auch unser Kastell. Während in den Niederlanden der Kampf gegen die Bataver noch tobte, haben die Römer das zerstörte Lager wieder aufgebaut; es mußte doch der Schiffs- und Landverkehr der Rheinlinic gesichert bleiben.

So begann für unser Kastell die zweite Periode des Bestehens, die lange Friedenszeit von ungefähr

70 bis 270 nach Christus.

Remagen lag in der Provinz Niedergermanien, und es war niemals, wie z. B. Andernach, durch den rechtsrheinischen Festungsgürtel des Limes abgelöst worden, sondern mußte stets Grenzfestung geblieben sein. Die Annahme erhält eine gewaltige Stütze in der Tatsache, daß die Besatzung von flavischer Zeit (69 bis 96 n. Chr.) bis zur ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts durch Steininschriften des Museums nachgewiesen werden kann.

Als Kaiser Trajan 98 nach Chr. bei Köln im „gallischen Gebiet“ die Regierung übernahm, begann für unsere Heimat eine glückliche Zeit mit größter Sicherheit und hoher wirtschaftlicher Blüte in den Provinzen; 150 Jahre lang erfahren wir nichts aus den historischen Quellen über unsere Heimat. Aus diesem Schweigen können wir mit Sicherheit annehmen, daß Remagen an dem allgemeinen Aufschwung der Provinzen teilgenommen hat, und daß die Rheingrenze völlig gesichert war. Über den hohen Stand der Kultur geben uns die reichen Bodenfunde ein beredtes Zeugnis, darunter besonders die Funde, die mit Inschriften versehen sind, also hauptsächlich Grab- und Weihesteine, die wir in größerer Anzahl in unserem römisch-fränkischen Museum besitzen.

Die römischen Legionssoldaten brachten den Steinbau zu uns an den Rhein. Sie umkleideten das erweiterte Kastell nach Süden hin bis zum Turm der alten Kirche. Sie bauten jetzt im Innern, in der Walltiefe, feste Kasematten. Die älteren Standlager entsprachen einem Schema, das beinahe ein Jahrtausend für die Verteidigung des Römerreiches verbindlich war.

Wenn irgendwie möglich, dann hatte das Lager die Form eines Rechtecks. Davor lag ein breiter und tiefer Graben. Hinter der Mauer war eine Erdaufschüttung als Wallgang. Die Kastellmauer trug 16 Türme; je zwei an den vier Toren, je einen auf den Ecken und dann zur Verstärkung der Mauern in der Mitte einen Turm zwischen Tor und Eckturm. Oft waten die Türme mehrgeschossig und mit Wurfgeschützen für Steinkugeln armiert.

Das Kastell Remagen wird auch in gleicher Weise befestigt worden sein. Leider hat man nur wenige Türme in der Erde festgestellt, und über die Aufbauten kann kein sicheres Beweisstück beigebracht werden.

Die Reste des römischen Eckturmes der Südwestecke aus der ersten Steinmauerperiode hat man zum Teil unter dem Kirchturm der alten Pfarrkirche gefunden. Durch Unterwühlung des Fundamentes konnte man die wesentlichen Punkte zur Bestimmung seiner Größe und Gestalt gewinnen. Der Turm war trapezförmig und mit der 1,22 m dicken Mauer bündig. Die längste Seite stellt die abgerundete Umfassungsmauer dar, die hier eigentümlicherweise nicht verstärkt ist. Die lichte Weite des hinteren Eingangs beträgt 0,97 m. Während die Mauer nur aus Grauwackenbruchstein besteht, war das Innere des Turmes mit Tuffsteinquadern verkleidet. Bei einer Tiefe von 0,94 m war noch ein Rüstloch in der Mauer, ein Zeichen, daß der Turm noch hoch erhalten war in der Erde. Mit Rücksicht auf die Sicherheit konnten die Grabungen nicht fortgesetzt werden. Von diesem Eckturm führt die Steinmauer in gerader Linie hinter der alten Kirche entlang, schneidet die Via decumana sowie die Kirchstraße ungefähr in der Mitte und dreht hier in einem stumpfen Winkel hinter den Häusern an der Bachstraße (Nr. 14 und 16) auf das Rathaus zu. Die Mauer bildet hier die Ostseite des Kastells im Verlaufe der alten eingeebneten Holz-Erde-Mauer bis zum Rhein.

Der Südostturm konnte wegen der engen Bebauung nicht ausgegraben werden. Das Vorhandensein eines Turmes wurde in dem Keller eines kleinen Hauses festgestellt.

Sehr lehrreich ist diese Stelle, weil man hier feststellen kann, wie die Plangestaltung einer modernen Stadt durch die römische Mauer beeinflußt wurde. Der Plan zeigt, wie die Grundstücke strahlenförmig zum Mittelpunkt der südöstlichen Eckrundung zusammenlaufen. Die Häuser sind unter Benutzung der Kastellmauer gebaut.

In diese zweite Periode (70 bis 270 n. Chr.) des Kastells fällt auch der Bau eines größeren Gebäudekomplexes im Raum des heutigen Museums. Bei den Ausgrabungen der Fachleute vom Landesmuseum Bonn unter tatkräftiger Mitwirkung des Herrn Apothekers Eugen Funk, Remagen, stieß man unter dem Museum und später unter der westlich davon liegenden Kirchstraße bis in den Pfarrgarten hinein auf wuchtige Fundamente eines monumentalen Steingebäudes, wie man es bei dem kleinen Kohortenkastell nicht vermutet hatte. Diese Fundamente sind zum Teil im Kellerraum des Museums zu sehen. In einer Breite von ungefähr 28 m fand man in der Längsachse der früheren knechtstedenschen Kapelle toskanische Säulenbasen, drei davon in der Kapelle, und durch Abgrabung der Straße wurden noch drei weitere Basen freigelegt. Eine Base wurde bei dem Bau der Kapelle im Mittelalter vernichtet. So hatte die Vorderfront sieben, wenn nicht acht Säulen, an der Hauptstraße, der Via principalis, gegenüber der Via praetoria. (Wir sind bei der Bezeichnung der Straßennamen auf die Analogie der ausgegrabenen Festungen Xanten, Neuß, Bonn u. a. angewiesen.)

Die Säulenbasen haben eine Distanz von 3,60 m von Achse zu Achse. Auf quadratischer Plinthe (Säulenplatte) von 0,88 m Seite und 0,32 m Höhe erhebt sich noch ein niedriger Doppelwulst. Der Durchmesser der ebenen Oberfläche, also des Säulenschaftes an seinem untersten Teil, beträgt 0,60 m. Zwischen zwei Säulenbasen ist noch der von den römischen Legionären abgetretene Fußbelag aus mächtigen Tuffsteinplatten des Brohltales. Ein toskanisches Kapitell fand man bei dem Kirchenneubau. Der einfache Kapitellwulst ist durch zwei Einkehlungen profiliert; darüber liegt eine kreisrunde Deckplatte mit Aufsatz und Dübelloch.

Es ist anzunehmen, daß bei der Raumnot unseres Kastells kein vollständiges Peristylium (Säulenhaus) bestanden hat, sondern nur die Vorhalle zu einem repräsentablen Bau. Bei der Feststellung der Tiefenausdehnung des Gebäudes entdeckte man in 18 m Entfernung, parallel zur Vorderfront, eine Reihe mächtiger Vierecksäulen, Ob diese Pfeilerreihe das Ende des Bauwerkes bedeutet, könnte nur durch weitere Grabungen geklärt werden.

Nach der Größe des Gebäudes zu urteilen, beherbergte es neben den Räumen für das Praetorium, dem Hauptquartier des Kommandanten, auch den heiligen Bezirk, den Göttertempel.

Von der Mitte der Via principalis aus stellt sich dem Beschauer eine stattliche Säulenfront dar. Ein monumentales Portal, von der Stabswache geschützt, führt in einen offenen, vielleicht von einem gedeckten Säulengang umgebenen Hof. Der Umgang ist von einer Reihe kleiner Räume umgeben, die für die Unterkunft der Truppe und den Dienstbetrieb einer Kohorte notwendig sind. Da die Räume durchweg Lehmfachwerkgebäude waren, hat man davon kaum etwas gefunden.

Einige Stufen erhöht schaut der Soldat in das Heiligtum des Lagers, den Göttertempel. Außer dem Staatsgott Jupiter und dem jeweiligen göttlichen Kaiser hatten auch die anderen Heeresgötter, besonders Mars und Victoria, in Reliefbildern hier ihren Stand.

Den Heeresgöttern opferte man vor dem Auszug ins Feld, am Kaisersgeburtstag, dem Tag der Thronbesteigung, beim Fahneneid und anderen bedeutenden Festtagen.

Die Kulturlandschaft des kaiserlichen Gallien erforderte schmucke Tempelbauten. Sie knüpfen an die altkeltischen Gotteshäuser an mit den meist viereckigen Bauten und einem Säulenumgang, bald innen, bald außen, die mehrfach im Rheinland ausgegraben wurden, besonders die Tempelbezirke Altbachtal bei Trier und Pesch (Eifel).

Eine Hypokaustenanlage mit Boden- und Wandbeheizung war schon im 2. und 3. Jahrhundert bei den repräsentativen römischen Bauten in den nördlichen Provinzen eine Selbstverständlichkeit.

Von einem Feuerraum wurde die heiße Luft in einen Hohlraum (hypocaustum) geleitet, der sich unterhalb des Fußbodens befand. In diesem Hohlraum standen kleine Säulchen, die meist aus gebrannten Ziegelplatten errichtet waren und den Estrich des geheizten Zimmers trugen. Die Heißluft strich leicht zwischen den Säulchen hindurch und konnte auch durch die in den Wänden vermauerten Hohlziegel in die oberen Stockwerke oder ins Freie abgeleitet werden. Wahrscheinlich sehen wir heute noch m dem Mauerwerk der nachmaligen Prämonstratenser Kapelle die in Remagen gebrannten Hypokaustenziegel wieder. Was von der Zerstörung am Ende der Römcrzcit übrig blieb, fiel dem mittelalterlichen Steinraub zum Opfer.

Rohrleitungen brachten aus den Remagener Bergquellen Lützelbach und Bergtränk klares Trinkwasser und füllten auch sicher einen offenen Brunnen in den Wandelhallen des Tempels.

Im Untergrund des Museums, auf dem die Säulen ruhen, fand man drei verschiedene Wasserabzugskanäle, die offenbar das überflüssige Wasser in den Rhein beförderten. Die Wände waren aus Tuffstein gemauert und die Sohle mit Dachziegelplatten belegt. Von einem Kanal ist in dem Museum noch ein Stück in der Wand erhalten geblieben.

Zu jeder Truppeneinheit, zu jedem Kastell gehörte eine Thermenanlage mit Warmbad, lauem Wasser und Kaltbad. Bei Beheizung der Bäder wurde nach demselben Prinzip wie in Wohnhäusern verfahren. Das Kastellbad wird in der Nähe des Pfarrhauses vermutet.

Die dritte Periode unseres Kastells von 270 n. Chr. bis zur Auflösung der Festung

In der Mitte des 3. Jahrhunderts entstanden, durch nicht genau bestimmbare Ursachen veranlaßt, unter den germanischen Stämmen Bünde, infolge deren die alten Stammesnamen verschwanden und neue umfassendere Völkernamen aufkamen. Mit kurzen Unterbrechungen lagen diese Volksverbände in andauernden Grenzkämpfen mit den Römern. Es ist die Zeit des tiefsten Niederganges, aus der das Reich dann im 4. Jahrhundert als etwas völlig Neues hervorgeht. Am Oberrhein sind die alten suebischen Stämme in einem neuen Bund der Alemannen aufgegangen; weiter stromabwärts läßt der Name Franken auf eine straffe politische Organisation schließen. In der Not siedelt das Reich fränkische Bauern in unserer Heimat an, auch das Heer wird immer stärker mit Franken durchsetzt. Italien mit Rom verliert an Vormachtstelle, alles Handeln geht von den Provinzen aus. So gewinnen unsere Heerlager am Niederrhein wieder mehr an politischer Bedeutung, sie dienen als Prellbock für den fränkischen Ansturm. 

Für die Verteidiger der Rheingrenze war es dringend notwendig, die Befestigungen zu verstärken. Es war die ungeeignetste Zeit, das Kastell Remagen wegen zu schwacher Befestigung aufzugeben. Wir sehen jetzt Remagen mit einem mächtigen Festungsgürtel umgeben. Er ist bis zu einer Breite von 3 m verstärkt und zu mindestens doppelten Höhe überbaut. Zum großen Teil ist die wohlerhaltene erste Kastellmauer von 1,20 m Breite mitbenutzt. 

Die genaue Zeit der Mauerverstärkung anzugeben, ist nicht möglich. Der späte Mauergürtel von Remagen gehört zu den Befestigungen von Neuß, Andernach, Boppard, Trier usw., die mit wechselndem Geschick den Germaneneinfällen standgehalten haben. In dieser Periode ist der Graben nicht mehr vorhanden und der Erdwall ist weggefallen; die 3 m Steinmauer ist Brustwehr und Wehrgang zugleich.

Wie man in Remagen ein großes Stück dieser Festungsmauer entdeckte

Beim Neubau der kath. Pfarrkirche fand mau beim Abbruch einer modernen Mauer am Deichweg ein ansehnliches Stück der spätrömischen Festungsmauer des 3. und 4. Jahrhunderts in einer Länge von 28,50 m. Sie diente wohl als Stützmauer der Westfront und hat eine Breite von 2,65 m und eine Höhe von 5,50 m über dem Fundament.

Die Mauer besteht aus Schieferguß und sehr kalkreichem mit Rheinkies vermischtem Mörtel. Er ist so hart geworden, daß er selbst dem Angriff modernster Geräte widersteht. Das Fundament besteht aus mächtigen Tuff blöcken. Das Mauerwerk ist in einer Entfernung von 2 m mit Ziegelschichten aus 3 Lagen durchschossen. Im oberen Mauerbogen des Deichweges führt die Mauer noch eine unregelmäßige Verkleidung mit Schiefer und Tuffstein. Die Mauer biegt von der Westseite auf die Südseite hinter dem alten Turm, nahe am Kirchtreppenaufgang um, und sie ist dann nicht mehr sichtbar, eine mittelalterliche Mauer verdeckt sie. Gegenüber dem Chor der alten Kirche erscheint sie uns noch einmal in zerstörtem Zustande. Die Mauer hat hier eine bedeutende Höhe und steht wohl als Stützmauer auf dem Niveau der unteren Milchgasse. Auf dem Weg der ersten Steinmauer verläuft auch die Festungsmauer, heute unsichtbar, bis zur Heidenmauer hinter dem Rathaus. Nach dem Heimatforscher Reuleaux war im Jahre 1880 die Festungsmauer noch in einer Länge von 60 m sichtbar. In späteren Jahren -wurde sie dann außer der Heidenmauer weggeräumt.

Bei einem Schnitt in den Boden hinter dem Rathaus bis zu einer Tiefe von 5,50 m ließen sich die drei Perioden des Erdkastells, des ersten Steinkastens und der späteren Festungsmauer ganz scharf voneinander trennen. Das Steinkastellfundament reicht bis in den Graben des Erdkastells hinab, das hier auch mit kohlen- und aschehaltigem Boden gefüllt ist. Weniger glücklich waren die Grabungen auf der nördlichen, dem Rheine zugewandten Hälfte der Ostmauer. Wohl hat man später in der Verlängerung der Ostmauer kleine Stücke der frühen und späten Kastellmauer in einem engen Hofe und einem anstoßenden Keller gefunden. Sonst waren alle Grabungen nach Befestigungsanlagen an der Rheinfront bisher ergebnislos. Es wurden noch römische Scherben und auch der römische Rheinuferabfall gefunden. An der Ecke via principalis – Bauamt – fand man Fundamentreste des Osttores in und neben der Straße.

Remagen, Luftbildaufnahme
Foto: Aero-Foto A. Schwarzer

Es handelt sich um einen großen Mauerklotz, der offenbar dem südlichen Torturm zuzurechnen ist. Es ist das jüngste Tor und gehört zur spätrömischen Festungsmauer. Die Länge wurde an der Straße 8,40 m und die Breite mit 3,50 m festgestellt. So stimmt der Remagener Turm bezüglich der Länge mit dem ausgegrabenen Westturm von Andernach fast genau überein. Danebenliegende mittelalterliche Kellerbauten mit einer Steintreppe benutzten das römische Mauer werk als Kellerwandung. Leider ist man nicht mehr dazu gekommen, an dieser Stelle noch die Türme der ersten Steinmauer und des Erdkastells zu suchen. Das mit der späten Ortsmauer befestigte Remagen muß einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen sein. Bei Grabungen fand man an vielen Stellen dicke Brandschichten, die mit fränkischen Kulturschichten bedeckt waren. Die Scherben der Brandschichten führen uns ins späte 4. Jahrhundert.

Im Jahre 356 wird die Festung Remagen durch den Schriftsteller Ammianus Marcellinus in der „Res gestae“ XVI 3, l klar bezeugt. Er fand von den Alpen bis zum Meer 54 Städte zerstört, ungerechnet der Kastelle und Türme. Es standen noch das Kastell Confluentes (Koblenz), das Oppidum (Stadt!) Remagen-Rigomagus und ein Turm bei Köln. Die starken Befestigungen von Remagen müssen also den Alemannen und Franken Trote geboten haben. Unser Kastell wird auch nicht bei den sieben Städten erwähnt, welche der Kaiser Julian als Statthalter Galliens im Jahre 359 wieder eroberte. Zu ihnen gehörten in unserer näheren Heimat Bonn und Andernach. Nach diesem Jahr hört jede genaue Zeitangabe für die Geschichte Remagens auf. Auch die bekannte Tabula Peutingeriana, die Wegkarte des 4. Jahrhunderts, kann keine genauen Angaben machen. Der große Festungsbauer Valentinian I. (364—375) hat wahrscheinlich unsere Mauern nochmals verstärkt und die Wälle erhöht. Trotzdem brachen 388 die Franken aufs neue über den Rhein vor. Im Jahre 392 erfolgte noch ein letzter römischer Vorstoß über den Rhein von Köln aus. Was in der wilden Zeit des Honorius und Stilicho mit Remagen geschah, als seit 406 außer den Franken auch Vandalen, Alanen, Sueven und Burgunder unsere Heimat und Gallien überfluteten, wissen wir nicht. Vielleicht war es überhaupt keine Katastrophe, die das Ende herbeiführte. Vielmehr mag die Kampfmoral der spätrömischen Wehrbauern an der Grenze schließlich so gesunken sein, daß die Befestigungslinie an Altersschwäche zusammenbrach.

Quellen: Grabungsberichte von Lehuer, Koenen und Hagen in den Bonner Jahrbüchern.