Mönchshof und Mönchsheide zu Oberbreisig

Mönchshof und Mönchsheide zu Oberbreisig

VON LEO STAUSBERG

Das eindrucksvollste Denkmal ihrer Geschichte besitzt die alte keltische Siedlung Oberbreisig in der romanischen Pfarrkirche. Im Heimatjahrbuch von 1962 wurde das Bauwerk eingehend gewürdigt. Aber auch ein zweiter Zeuge der Oberbreisiger Vergangenheit verdient, einmal betrachtet zu werden: der Marienstatter Hof oder, wie das Volk ihn nennt: der Mönchshof. Er erhebt sich an einem Hang westlich des Ortskernes. Auffallend ist ein Gebäudeteil, der rechtwinklig auf das Hauptgebäude stößt und sich durch einen dreiteiligen Chorabschluß als ehemalige Kapelle zu erkennen gibt, wenn sie auch heute Wohnzwecken dient. Die älteste Urkunde über dieses einstige Kloster-gut datiert vom 25. Juni 1215. Damals bestätigte der Trierer Erzbischof Theoderich dem Zisterzienserkloster Marienstatt im Westerwald die Schenkung eines Ausstattungsgutes zu „Briscche“.

Wer die Geschichte dieses Klosterhofes schreiben will, muß ihn in den Zusammenhang mit den Zisterzienserklöstern im rheinischen Gebiet stellen und auch die Geschichte dieses Ordens selbst kurz skizzieren.

Der Zisterzienserorden ist gegen Ende des 11. Jahrhunderts aus dem ältesten Mönchsorden, dem der Benediktiner, hervorgegangen. Es sollte in diesem neuen Zweig die benediktinische Ordensregel wieder streng zur Geltung kommen: mühevolle Arbeit, Weltentsagung, Gottesdienst und Christenlehre, schlichte Bauweise der Klosterkirchen, weltabgeschiedene Lage der Niederlassungen. Der Benediktinerabt Robert vom Kloster Molesmes im Herzogtum Burgund begann 1075 diese Reformen zu verwirklichen. Schon bald darauf — 1090 — zogen von dort aus Mönche, geführt von Stefan Harding und Alberich in die Sümpfe von Citeaux (Cistertium) bei Dijon. Abt Robert folgte ihnen 1098. Im Jahre 1112 trat der zweiundzwanzig jährige Grafensohn Bernhard mit dreißig Gleichgesinnten dem Konvent von Citeaux bei. Schon in den folgenden Jahren wurden von Citeaux aus vier Filialen gegründet: 1113 La Ferte bei Chalons, 1114 Pontigny bei Scns, 1115 Clairvaux an der Aube und Morimond bei Langres. — Die Leitung der Abtei Clairvaux übernahm Bernhard, der an Gelehrsamkeit und religiösem Eifer, aber auch an diplomatischem Geschick alle überragte.

Mönchshof

Citeaux (Cistertium) blieb Ordenszentrale und gab schließlich dem Orden der grauen Mönche den Namen. — Unerhört war die Askese, die der Orden von seinen Mitgliedern verlangte: 18 Stunden harter Arbeit täglich, kein Fleisch, kein Salz in den Speisen, keine Schlafdecken, selbst nicht im Winter. Und doch war der Zustrom junger Christen zu den Zisterzienserklöstern erstaunlich hoch. —

Bernhard von Clairvaux war bald durch sein Wirken zu großem Ansehen gelangt. Erfolgreich griff er in eine strittige Papstwahl ein und verhalf Innozenz II. auf den Stuhl Petri. Als Kaiser Konrad III. zum 2. Kreuzzug rüstete, wurde Bernhard der eifrigste Werber für dieses Unternehmen. In den rheinischen Domen predigte er das Kreuz und heftete es 1147 im Dom zu Speyer dem Kaiser selbst an. Bei Kempenich im Brohltal zeigt man heute noch die Bernhardskapelle und Bernhardslinde, wo Sankt Bernhard gepredigt haben soll. — Wir wissen, daß der 2. Kreuzzug mit einem Mißerfolg endete und daß Kaiser und Papst diese Niederlage nicht lange überlebten.

Um so erfolgreicher waren Bernhards Bemühungen bei der Missionierung an den Ostgrenzen des Reiches. Als er 1153 zu Clairvaux starb, waren bereits aus dieser Abtei allein 80 Filialklöster hervorgegangen, von denen selten eines weniger als 100 Mitglieder zählte. Im 13. Jahrhundert stieg die Zahl der Zisteraenserklöster in Europa auf 700, die der Zisterzienserinnenkonvente fast auf das Doppelte dieser Zahl. Schon früh fanden die Zisterzienser Eingang in das rheinische Land. Der Trierer Erzbischof Albero von Montreuil hatte mit Bernhard zusammen die Hohe Schule zu Paris besucht. Sie hatten sich angefreundet, und so erklärt es sich, daß Albero schon 1134 für sein Erzbistum von Bernhard Mönche aus Clairvaux erbat. Von Trier aus ließen sich diese zunächst in Winterbach bei Kordel nieder, zogen aber bereits 1138 aus dem unruhigen Moseltal in die Einsamkeit des Salmtales und gründeten die Abtei Himmerod. — Einige Jahre vorher schon — 1131 — war im Mainzer Erzstift ebenfalls von Clairvaux aus das Kloster Eberbach im Rheingau entstanden. — Noch früher: 1123 fand von Morimond aus die Gründung des Zisterzienserklosters Kamp am linken Niederrhein statt, von wo aus 10 Jahre später die Grafen von Berg Mönche ins Dhünntal bei Köln riefen.

Abtei Marienstatt im Westerwald

Hier entstand das Kloster Altenberg, die Grablagc der bergischen Grafen und hier erhebt sich noch der Altenberger Dom, eines der stilreinsten gotischen Bauwerke des Abendlandes. — Von Himmerod aus geschah gegen Ende des 12. Jahrhunderts eine Klostergründung im rechtsrheinischen Raum: Auf dem Petersberg im Siebengebirge hatte 1134 ein Ritter Walter, der dort als Einsiedler lebte, ein Augustinerkloster gegründet. 1187 verließen die Augustiner die unwirtliche Bergkuppe und begaben sich ins Sülztal, nahe bei Köln. Himmeroder Zisterzienser bezogen 1188 die leerstehenden Gebäude. Aber auch sie, die an Entbehrung und harte Arbeit gewöhnt waren, gaben 1192 wegen Wassermangels und ungünstiger Rodungsmöglichkeiten den Petersberg auf. Im Tale des Heisterbaches hatten sie vorher Grundbesitz erworben. Hier bauten sie ihr Kloster, das bis zur Franzosenzeit Bestand hatte.

Nach dem Ordensprinzip der Filialbildung wurde von Heisterbach aus im Jahre 1212 eine Klostergründung im Westerwald ins Werk gesetzt. Dort hatte Aleydis von Molsberg, Herrin der Freusburg a. d. Sieg, Gemahlin des Kölner Burggrafen Eberhard von Aremberg, Güter bei Kirburg im Westerwald dem Abt Heinrich von Heisterbach zum Zwecke einer Neugründung geschenkt. Da diese Güter nicht, wie Heisterbach, im Kölner, sondern im Trierer Diözesangebiet lagen, mußte der Trierer Erzbischof Theoderich dazu seine Einwilligung geben. Das geschah an dem eingangs dieses Beitrages genannten Tage, dem 25. Juni 1215, an dem auch die Breisiger Liegenschaften dem neuen Konvent übereignet wurden. Es darf angenommen werden, daß dieser Breisiger Besitz vorher zu den Gütern des Mutterklosters Heisterbach gehört hatte und schon 1212 als Aussteuer an Marienstatt abgegeben worden war. — Noch hatte Marienstatt zwar einen Namen — alle Zisterzienserklöster waren übrigens der Himmelskönigin geweiht —, aber noch nicht den endgültigen Ort gefunden. Ähnlich, wie im Falle der Gründung von Kloster Heisterbach, erwies sich die Örtlichkeit bei Kirburg als wenig geeignet, einem Kloster Existenz zu garantieren. Deshalb nahmen die Mönche unter ihrem Abt Hermann gerne das Angebot der Gräfin Mechtildis von Landsberg, der Gemahlin des Grafen Heinrich III. von Sayn, an, ihr Kloster in das sehr einsame Tal der Nister zu verlegen. Die Schenkung der Grundherrlichkeit Nister geschah am 27. Februar 1222. — Gräfin Mechtildis von Sayn, eine Verwandte der Hl. Elisabeth von Thüringen, hat später (1250) den größten Teil ihres reichen thüringisch-bilsteinischen Erbes dem Erzstift Köln geschenkt. — Da die Grundherrschaft Nister im Gebiet des Kölner Erzstifts lag, mußte diesmal der zuständige Kirchenfürst von Trier, der schon genannte Theoderich, seine Einwilligung zum Ortswechsel des Konvents geben. Er sah die grauen Mönche nur ungern scheiden, indes der Kölner Erzbischof Engelbert von Berg sie bereitwillig in seinen Kirchensprengel aufnahm. Es war übrigens jener bedeutende Kirchenfürst und Reichsverweser, der wenige Jahre später (1225) bei Gevelsberg erschlagen ward. — Das Kloster Marienstatt hatte nunmehr seine endgültige Bleibe gefunden und hat den Standort noch heute unversehrt inne. Jene erste Siedelstelle bei Kirburg heißt heute noch „Altenkloster“.

Nach diesem, wie mir schien, notwendigen Umweg durch die Ordensgeschichte kehren wir zum Marienstatter Hof nach Oberbreisig zurück. Wir sehen ihn jetzt als ein kleines Glied einer gewaltigen Kette. Dieser Hof wurde der Verwaltungsmittelpunkt für viele kleine Besitzungen, die durch Kauf und fromme Stiftungen an das Kloster Marienstatt fielen. So gehörte dazu die Mühle im Tale des Frankenbachs, heute „Forellengrund“. Auch ein Wald auf der Höhe südlich des Baches war Klosterbesitz. Hier rodeten die wackeren Mönche eine Fläche von 180 Morgen zu Ackerland und bauten einen Meierhof dorthin. Diese „Mönchsheide“ genannte Rodung besteht heute noch mit dem Karpfenteich davor, den die Mönche angelegt haben. Es gehörten dem Kloster auch Äcker und Wiesen in der Gemarkung von Franken. Aus dem Jahre 1287 ist der Kauf eines Weinberges bezeugt, der bis dahin dem Ritter Heinrich von Etterich gehört hatte. Wein war ja das wichtigste Erzeugnis des Marienstatter Gutes, den die Mönche schon zum Kirchengebrauch nicht entbehren konnten und weil Reben wohl schwerlich auf den rauhen Höhen des Westerwaldes gediehen.

Chorruine in Heisterbach im Siebengebirge

Damals wuchs am Elsenberg, der das Tal des Frankenbaches flankiert, noch ein edler Tropfen. Heute zeugen davon nur mehr die zerbröckelnden Weinbergsmauern, aber auch die weiträumigen Kellergewölbe des Mönchshofes, die in der Lage waren, manches Fuder Wein zu bergen. Das wußte wohl auch ein verspäteter Raubritter, Werner von Merode, der im Jahre 1582 den Klosterhof überfiel und 12 Fuder Elzenberger im Werte von 360 Talern davonführte. So hat es der empörte Klosterkellner damals seinem betrübten Herrn Abt berichtet. — Auf dem rechten Rheinufer, Breisig gegenüber, besaß Marienstatt auch einen Klosterhof: Arienheller. Dort fand im Jahre 1490 die Wahl des Marienstatter Abtes statt, dieweil in Marienstatt die Pest wütete.

Noch einmal müssen wir aus dem Fenster der Heimat in die Geschichte des Reiches schauen: Es wurde schon darauf hingewiesen, daß von den rheinischen Zisterzienserklöstern — wenn auch nicht von ihnen allein! — eine lebhafte Missionierung zu den slawischen Völkern an den Ostgrenzen des Reiches ausging. Mit unerhörtem Eifer und Mut zur Entsagung drangen die braven Pioniere in die Sümpfe Mecklenburgs, des Havellandes, der Marken, der Lausitz, Schlesiens und Mährens ein und verwandelten im Kampfe mit Stechmücken und Wölfen unwirtliche Gebiete in fruchtbare Gefilde. So gründeten sie im i2. Jahrhundert folgende Zisterzienserklöster: Altzella, Dobrilugk, Zinna, Doberan, Dargun, Kolbatz, Leubus, Lehnin, Oliva, Osseg, Buch, Bergen, Zirez und Eldena. — Auch im ’13. Jahrhundert setzte sich diese Ausbreitung in den Ostgebieten fort in edlem Wettstreit mit dem Orden der Prämonstratenser und der Deutschherren. Zisterziensergründungen aus dieser Zeit sind: Trebnitz, Grünhain, Zehdenick, Nimbschen, Räuden, Chorin, Goldenkron, Neuzelle, Himmelpforte, Marienwalde und Paradies. Immer wieder sandten die Klöster aus dem Westen des Reiches Ordensmänner, aber auch Siedler, in das Land der Sümpfe, Seen und Heiden.

Eine letzte Urkunde über den Marienstatter Hof zu Oberbreisig erwähnt die Neuerrichtung der Kapelle im Jahre 1752. 1802 verfiel der Hof der Säkularisierung. Die Kapelle wurde zu Wohnzwecken umgebaut.

Das Schicksal der rheinischen Zisterzienserklöster, die im Zusammenhang mit unserem Klosterhof genannt wurden, ist bekannt und sei zum Schlüsse kurz skizziert:

Kloster Himmerod wurde samt der herrlichen Barockkirche bis auf die Chorruine niedergerissen. Nach dem 1. Weltkriege — 1922 —faßten erneut Mönche in den Ruinen Fuß. Es waren aus Bosnien vertriebene deutsche Trappistcn. Sie wurden mit päpstlicher Erlaubnis in den Zisterzienserorden aufgenommen. Ein Marienstatter Mönch wurde erster Abt des neuen Klosters Himmerod. Vor einigen Jahren konnte das neu erstandene Münster unter dem Abt Vitus Recke seiner Bestimmung übergehen werden. Auch von der herrlichen Kirche zu Heisterbach waren nach Aufhebung des Klosters nur die malerische Chorruine und das mit den Figuren der Ordensstifter St. Benedikt und St. Bernhard gezierte Torhaus übriggeblieben. Das Steinwerk der Kirche hatte Napoleon zum Bau seines „Kanal du Nord“ verwenden lassen. Dieser Kanal, der Rhein und Maas verbinden sollte, ist Ruine geblieben. In Heisterbach hat sich später mönchisches Leben nicht mehr entwickelt. Doch zählt der sagenumwobene Ort zu den beliebtesten Wanderzielen des Siebengebirges. Der Geschichtsfreund findet hier die Wirkungsstätte des berühmten Chronisten Cäsarius von Heisterbach.

In Marienstatt blieben nach der Austreibung der Mönche Kirche und Klostergebäude erhalten, weil es die Pfarrkirche der umliegenden Dörfer war. Die Gebäude dienten aber nacheinander als Gefängnis, Armenhaus und Waisenhaus, bis 1888 Zisterzienser aus Mehrerau am Bodensee das Anwesen erwerben konnten. Die Begleitumstände hierzu sind seltsam genug, um erwähnt zu werden. Der letzte Prior von Marienstatt, der nachdem als Pfarrer an Sankt Castor in Koblenz wirkte, taufte dort 1836 das Kind einer befreundeten Familie Kalkum auf den Namen Nepomuk. Der ehemalige Marienstatter Prior hat später seinem Täufling viel von dem idyllischen Kloster im Nistertal erzählt. Unter dem Mönchsnamen Maurus trat der junge Nepomuk Kalkum in den Konvent zu Mehrcrau ein und wurde 1878 dort Abt. Durch ihn wurde das Augenmerk auf Marienstatt gelenkt. — Seit der Wiederbesiedlung blüht Marienstatt wieder auf als christliche Bildungsstätte und als Marien Wallfahrtsort, Sinnbild der nicht erlahmten Kraft des seit fast 900 Jahre segensvoll wirkenden Ordens der Söhne des heiligen Bernhard von Clairvaux. Uns aber gab der 750jährige Mönchshof zu Oberbreisig Anlaß, die geschichtliche Bedeutung der grauen Mönche einmal ins Licht zu rücken.