Epiphanie – Dreikönigsfest

Geschichte des Festes in rheinischer Schau

VON LEO STAUSBERG

Zu den weihnachtlichen Erinnerungen aus meiner Kindheit gehört jene, als in der frühen Dämmerung eines Januartages ein großer, leuchtender Stern auf der Straße daherschwebte und auf unser Haus zukam. Daneben tauchten ein kohlschwarzes und zwei helle Knabengesichter unter funkelnden Kronen auf. Die drei mit ihrem Stern traten, von Vater und Mutter freundlich begrüßt, in unsere Stube ein. Wir Kinder verharrten in furchtsamer Neugier in einem Winkel, und nur das Jüngste auf Mutters Arm hob seine prallen Ärmchen gegen den pergamentenen Stern, in dessen Mitte eine Kerze brannte. Nun fingen die drei „Gekrönten“ mit hellen Stimmen zu singen an von einem Stern aus Morgenland, der drei Könige zum Christkind führte „durch Jerusalem zu einem Stall in Bethlehem“. Weihrauch wölkte aus einer zu einem Rauchfaß gefügten ausgehöhlten Runkelrübe und erfüllte die Stube. Gar ernsthaft trugen die Buben ihren kunstlosen Singsang vor. Derweil betrachtete ich sie, halb hinter Mutters Schürze versteckt. War dieser nicht der Knopps Pitter, jener der Korfs Düres? Und der Schwarze, dem ein fuchsroter Haarschopf unter der Zackenkrone hervorstach, das war doch Faßbenders Gedies! Aber nichts in ihren Mienen verriet ein Vertrautsein. Seltsam fremd und feierlich lebten sie in ihrer Rolle wie in einem höheren Auftrag. Dann brach der Sang ab. Mit einem Schwung ward der Stern mehrmals gedreht, ohne daß die Kerze erlosch. Ein paar Nickel klapperten in die „vergoldete“ Büchse des Schwarzen, eine Handvoll Nüsse in den Sack des Rauchfaßschwenkenden. Dann wandten sie sich mit gemessenen Schritten, folgten dem Stern und traten wieder in die Dunkelheit hinaus, aus der sie gekommen waren. Ich weiß nicht, ob in jenem alten kurkölnischen Rheinstädtchen der weihnachtliche Brauch des Sternsingens heute noch lebt und ob an „Dreikönigen“ noch eine Kerze brennt vor dem barocken Holzrelief der drei Weisen in der mit Kostbarkeiten vieler Jahrhunderte gezierten, altehrwürdigen Kirche.

Sternsinger von Brohl/Rh.
Foto: Buschbaum

Die Erinnerung an jenen schönen Brauch habe ich mir bewahrt. Es ist reizvoll, der Geschichte dieses ältesten christlichen Festes, dem auch der Brauch des Sternsingens entsprungen ist, nachzugehen. In seiner urspünglichen griechischen Bezeichnung „Epiphania“, d. i. Erscheinung des Herrn), verrät das Fest, daß sein Ursprung in der Ostkirche zu suchen ist. Die morgenländische Kirche feierte mit diesem Fest nachweislich seit dem 5. Jahrhundert die Geburt Christi, des Welterlösers. Besonders sinnvoll war das Fest auch als bevorzugter Tauftag. — Die römische Kirche hingegen legte seit ihrer Erhebung zur Staatskirche unter Kaiser Konstantin zu Anfang des 4. Jahrhundert das Christgeburtsfest auf den 25. Dezember. Das war der Tag, welcher vordem der „unbesiegten Sonnengottheit“, dem „sol invictus“, geweiht gewesen war. Christus, als die „wahre Sonne“, wurde so bewußt an die Stelle des römischen Sonnengottes gestellt. In ähnlicher Weise konnte später das Geburtsfest Christi bei den zum Christentum bekehrten germanischen Stämmen den Kult des Julfestes, der Wintersonnenwende, überwinden, der um dieselbe Zeit gefeiert wurde und inhaltlich dem römischen Solfeste entsprach. Den heidnischen Namen „Weihnachten“, womit ursprünglich die zwölf geweihten Nächte des Julfestes gemeint waren, behielt man indes in vielen Gegenden bei. Von dort kam er in den modernen Sprachgebrauch. Aber welch ein Gegensatz zwischen der heidnischen und der christlichen Sinngebung der „Weihenacht“! Einst gedachte man der „Rauhnachte“, in denen Wotans „wütiges Heer“ durch die Lüfte brauste, und nun gedenkt man der christlichen „stillen, der heiligen Nacht!“

In den Landesteilen, die einst unter römischer Herrschaft gestanden und schon früh mit dem Christentum bekannt geworden waren, bürgerte sich bald der Name „Christtag“, „Christnacht“ oder „Christabend“ ein, so im Gebiet der ripuarischen Franken an Rhein und Mosel; bei den Niederfranken zwischen Maas und Niederrhein wurde die Bezeichnung „Christmeß“ üblich. Auch die Niedersachsen brachten diese Bezeichnung bei der Eroberung der britischen Insel dorthin als „Christmas“.

Aus dem angelsächsischen Raum wurde der Name endlich auch nach Nordamerika mitgenommen.

Was aber war inzwischen aus dem Fest Epiphanie“ geworden? Es war auch von der abendländischen Kirche übernommen und in den Weihnachtsfestkreis eingegliedert worden. Man gab ihrn indes einen etwas veränderten Sinn. Den Charakter als Tauftag verlor es ganz. Der Schwerpunkt lag mehr auf dem Erscheinen Christi, des Königs, in der Heidenwelt, wobei als Mittler die Magier aus dem Morgenland galten, die nach dem Evangelienbericht des hl. Matthäus das Gotteskind fanden. Diese Gottsucher gaben dem Festtag und seiner Oktav äußerlich die besondere Note. Den ostkirchlichen Namen behielt das Fest im kirchlichen Gebrauch bei. In der Sprache des Volkes finden wir jedoch im 14. Jahrhundert in Urkundsdatierungen allgemein für den 6. Januar die Benennung „Dreizehntage“ oder „Dreizehnt‘ Messen“, „in druitzeintage“, „dertiendach“, „druzeen missen“. Diese Bezeichnung hatte sich offenbar im Hinblick auf die heidnisch=germanischen „Zwölften“ oder „Zwölf Nächte“ bewußt gebildet, um den Gegensatz auszudrücken. Während sich in nachreformatorischer Zeit im vorwiegend katholischen Rheinland und darüber hinaus der Name „Dreikönigen“ allgemein einbürgerte, behielten die evangelischen Christen die alte Bezeichnung „Epiphanie“ bis zur Gegenwart bei.

In der volkstümlichen Auffassung der Deutschen sind aus den „Magiern“ oder „Weisen“ mit der Zeit „Könige“ gewor* den. (Die Franzosen sagen bekanntlich heute noch „les trois mages“.) Der Königs* titel findet im Evangelium keine Anhaltspunkte. Es scheint aber, daß die römische Meßliturgie des Festes „Epiphanie“ den Anlaß hierzu gegeben hat; denn es heißt im Opferungsvers, der dem 71. Psalm entnommen ist: „Die Könige von Tharsis und den Inseln nahen opfernd mit Gaben; die Könige von Arabien und Saba kommen herbei mit Geschenken. Ihn beten an alle Könige der Erde, und alle Völker dienen Ihm.“ Die Gaben der Weisen dagegen: Gold, Weihrauch und Myrrhen, werden im Evangelientext genannt. Aber auch schon in der sprachgewaltigen Prophetie des Isalas erscheinen Gold und Weihrauch als Gaben. Deshalb sind sie auch in das Meßformular von Epiphanie aufgenommen. Da heißt es: „. . . sie alle kommen von Saba mit Gaben von Gold und Weihrauch.“ In dieser Weissagung ist wohl auch der Ursprung des Brauchs zu suchen, den Weihnachtskrippen den Gestalten der Dreikönige das Kamel zur Freude der Kinder beigeben. Isaias sagt: „Kamele in Fülle überfluten sich; Dromedare aus Madian und Epha.“ — Die Dreizahl der Weisen ist im Evangelium nicht ausdrücklich hervorgehoben; denn es heißt: „Siehe, da kamen Weise aus dem Morgenlande nach Jerusalem.“ Man hat die Dreizahl wohl aus den dreierlei Gaben geschlossen, die Matthäus nennt. Legendär sind auch die Namen der Magier. In früheren Berichten sind nur zwei genannt: Pudizar und Melchias. In einer alten Pariser Handschrift werden erstmalig drei Namen aufgeführt: Gathaspa, Melchior und Bithisarea, woraus dann wohl Kaspar, Melchior und Balthasar gestaltet wurden (s. Th. Bützler im Kölner Domheft 1949!) — Drei gabenbringende Fürsten zeigt aber bereits ein Mosaik in der unter Theoderich dem Großen erbauten arianischen Hofkirche San Apollinare nuovo zu Ravenna. Auch der Stern schwebt dort über ihnen. Von ihm ist im Evangelium mehrfach die Rede: „Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen“ — und weiter: „Und siehe! Der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er über dem Orte stehen blieb, wo das Kind war. Da sie den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude.“ — Bekanntlich ist der Stern als Sinnbild des Messias bereits in der Weissagung des Balaam enthalten, wo es lautet: „Ein Stern geht auf aus Jakob, ein Szepter erhebt sich in Israel . . .“ (4. Moses, 24,17/18). Was dem Feste Epiphanie bei uns im rheinischen Lande und darüber hinaus im Reich neuen Glanz verlieh, war ohne Zweifel die Überführung der Gebeine der drei Weisen von Mailand nach Köln im Jahre 1164. Wie diese zustande kam, sei kurz dargestellt: Der Staufenkaiser Friedrich I. Rothart hatte die unbotmäßige Stadt Mailand nach zweimaliger Empörung und zweiter Belagerung und Einnahme im Jahre 1162, nach Verbannung der Bewohner, schleifen lassen. Zwar ließ er die Kirchen verschonen, konnte es aber nicht verhindern, daß aus diesen viele Kunstschätze und Reliquien entwendet wurden. Der Besitz der Überreste berühmter Heiliger .bedeutete viel für eine Kirche, denn man lebte unter dem Schutz des Heiligen, und Pilger strömten in Scharen zur Verehrung herbei. Solche Überlegungen mögen auch den Kölner Erzbischof Reinald von Dassel, Kanzler des Reiches und treuen Mitstreiter Barbarossas, bewegen haben, den Kaiser um Überlassung der kostbarsten Reliquien, welche Mailand besaß, der Gebeine der drei Magier, zu bitten. Ungern und nach langem Zögern willfahrte Barbarossa dem Wunsche Reinalds. Wie waren die Gebeine aber nach Mailand gelangt? Viele Jahrhunderte lang hatten sie in der Kirche San Eustorgio vor den Mauern Mailands geruht. Nach der Überlieferung hatte Sankt Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, sie einst im Orient erheben und nach Konstantinopel bringen lassen. Dort barg sie zuerst die berühmte Kirche „Hagia Sophia“. Von dort aus ließ Kaiser Konstantin sie nach Mailand überführen und schenkte sie dem von ihm im Jahre 324 zum Bischof von Mailand eingesetzten Eustorgius. Noch heute besitzt die Kirche San Eustorgio den mächtigen, freilich nun leeren Sarkophag aus Konstantins Zeit, in dem die Gebeine einst geruht haben. Die schlichte Inschrift lautet: „SEPULCRUM TRIUM MAGORUM“, d. i. „Grab der drei Magier“. Darüber erblickt man einen Kometen mit einem Schweif. Noch in der Gegenwart ist dieses leere Grabmal an Epiphanie das Ziel großer Prozessionen. (Vgl. Theodor Bützler: Domheft 1949!) Reinald von Dassel hatte die Reliquien in drei Bleisärgen, als „Pestleichen“ deklariert, heimlich über die Alpen bringen lassen, da er den Ausbruch neuer Unruhen in der Poebene befürchten mußte, wenn die Entführung ruchbar geworden wäre. Gleichzeitig wurden auch die Gebeine der Märtyrer, Felix und Nabor, des Gregor von Spoleto und eines Apollinaris überführt. Die kostbare Fracht brachte man zu Schiff von Basel rheinabwärts nach Köln. In Remagen machte man nach der Überlieferung Rast, wohl, um den Kölnern die Möglichkeit zu geben, die Einzugsfeierlichkeiten vorzubereiten. Man rastete in der zum Siegburger Benediktinerkonvent gehörigen Propstei auf dem Martinsberge. Reinald soll dem gastfreundlichen Propst damals die Gebeine des hl. Apollinaris zum Geschenk gemacht haben. Seither nennen sich Berg und Kloster nach diesem Heiligen, dessen Gebeine heute noch dort ruhen. Die Kölner aber bereiteten den ehrwürdigen Reliquien der heiligen Gottsucher am 23. Juli 1164 einen begeisterten Empfang. Noch heute bezeichnet das „Dreikönisenpfört* dien“ an der Kirche „Maria im Kapitol“ die Stelle, wo nach der Überlieferung die Prozession die Stadt betreten hat. Reinald ließ die Reliquien in seine Bischofskirche bringen. Der Goldschmied Nikolaus von Verdun fertigte in Köln einen wundervollen Schrein an, der die Gebeine aufnahm, ebenso die Gebeine der Heiligen Felix, Nabor sowie Gregor. Nach wechselvollen Schicksalen, die der kostbare Schrein im Laufe von fast 800 Jahren erlebt hat, steht er heute hoch über dem Hochaltar des Kölner Domes und birgt nach wie vor die verehrungswürdigen Reliquien. — Nicht nur der erwähnte herrliche Schrein, sondern der Kölner Dom selbst — das gewaltigste Gotteshaus diesseits der Alpen — verdankt seine Entstehung und seine gigantischen Ausmaße nur den Reliquien der drei Weisen. Im April 1248 war der alte Dom ein Raub der Flammen geworden. Erzbischof Konrad von Hochstaden legte bereits am 15. August 1248 den Grundstein zum heutigen Dom. (Er hatte übrigens 14 Tage zuvor Ahrweiler die Stadtrechte verliehen.)

Schon in den ersten Entwürfen war der Bau in den Ausmaßen geplant, in denen er heute vor uns steht. Man fand den Mut dazu zweifellos im Hinblick auf die großen Pilgerscharen, die unaufhörlich aus dem ganzen Reich zum Grabe der drei Weisen strömten, wodurch Spenden in reichster Fülle flössen.

Die Kölner nahmen damals dankbar und stolz drei goldene Kronen in ihr Wappen auf. Einer der bedeutendsten Maler des Hochmittelalters, Stefan Lochner, malte das sog. „Dombild“, auf dem die Stadtpatrone Sankt Gereon und Ursula sowie die Drei Könige der Gottesmutter mit dem Kinde als „Himmelskaiserin“ huldigen (um 1445). Auch dieses Kleinod kann der Dombesucher in einer Kapelle des Hochchors bewundern, so wie es im Jahre 1520 bereits ein Albrecht Dürer nach der Notiz in seinem „Tagebuch“ getan: „Ich hab 3 Weißpfg., item 2 Weißpfg. geben, von der Tafel aufzusperren, die Meister Steffan zu Cöln gemalet hat . . .“

Durch die unzähligen Pilgerscharen, die seit Reinalds Zeiten zum Grabe der hl. drei Könige wallten, wurde ihre Verehrung weit verbreitet.

Die Volkstümlichkeit der Heiligen Caspar, Melchior und Balthasar fand ihren Ausdruck in vielen sinnigen Bräuchen, die mancherorts heute noch leben. Noch malt der fromme Bauer im Süddeutschen und Ostdeutschen an Epiphanie mit geweihter Kreide C+M+B+ über die Türen des Hauses. Auch das „Sternsingen“, das hier und da noch Brauch ist bzw. wieder auflebt, war einst in Eifel und Hunsrück, am Rhein und im Bergischen Land, aber auch von Flandern bis Schlesien, in Bayern und Österreich‘ weit verbreitet. Sterndreherlieder, schlicht in ihrer Melodie, rührend in der Einfalt der Texte, finden sich in allen Volksliedersammlungen. Zwar zeigte sich der Brauch schon im Verfall, wenn im 18. Jahrhundert die Sternsinger als wüste Zecher und Vagabunden auftraten. Bei Goethe ist es nur mehr ein derber Fastnachtsscherz, wenn er 1781 reimt: „Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern, sie essen, sie trinken und bezahlen nicht gern!“ Sinnvolle und reine Töne findet erst wieder Peter Cornelius, der in seinem Kunstlied „Drei Könige wandern aus Morgenland . . .“ den tiefen Sinn ihrer Sendung besingt. Auch Felix Timmermanns, der geistvolle Flame, hebt in seinem „Tryptichon von den Heiligen drei Königen“ die Gestalten zerlumpter, zechender Bettler, die als Sternsinger auftreten, zum Schluß wieder auf eine höhere Ebene. Ludwig Ganghofer spricht unsere Herzen an mit der tragischen Erzählung von den „vier heiligen Dreikönigen“, die er aus dem Brauchtum seiner Bergheimat schöpfte. Den reinsten Ausdruck fand die Verehrung der hl. Dreikönige in den kirchlichen Plastiken und Malereien des Mittelalters, die uns im rheinischen Raum allenthalben begegnen. Eine der kostbarsten Plastiken sei zum Schluß dieser Betrachtung genannt: der Dreikönigsaltar in der Stiftskirche zu Karden a. d. Mosel. Dem andächtigen Beschauer klingt still das Wort der drei Weisen aus dem geformten Stein entgegen:

„WIR HABEN SEINEN STERN IM MORGENLANDE GESEHEN
UND SIND MIT GESCHENKEN GEKOMMEN, DEN HERRN ANZUBETEN“