Fisch von Ulmen

Die Ritter von Ulmen, machtvoll bewehrt: 
m Herzen das Kreuz, in der Hand das Schwert.

Hoch in der Eifel, am Ulmener Maar, 
Da lag ihre Burg wie ein ruhender Aar.

Die Frühlingswinde, die Winterstürme, 
Sie sangen und donnerten um ihre Türme.

Und drunten tief im erloschenen Vulkan 
Fuhr friedlich der Fischer im sicheren Kahn.

Herr Heinrich*) sprach: „Zu des Heilands Ehr, 
Mein Leben wag ich und meine Wehr!“

Und er fuhr mit manchem anderen Ritter 
Ins Heilige Land, in der Schlachten Gewitter.

Mit kostbaren Schätzen kehrt er zurück:
„O Eifelheimat! O heiliges Glück!“

So jubelt sein Herz und so jauchzt sein Wort, 
So grüßt er die Burg und den ganzen Ort.

Und ins Maar, ins erloschene Feuergrab 
Versenkt er ein heiliges Kleinod hinab.

Vom Hügel, darauf der Erlöser gelitten, 
Als er uns Sünder hat frei gestritten:

Ein Felsenstücklein von Golgatha. — 
Nun staunt wie ich, was alsdann geschah!

Da ging ein Beben durch die Natur, 
Sie fühlte des Auferstandenen Spur.

Und die dunkelnden Wasser erglühten wie Gold, 
Und Stimmen sangen wie Engel so hold.

Und aus dem tief-tiefen Kraterschlund 
Stieg ein leuchtender Fisch zur selben Stund.

Seitdem wohnt der Wunderfisch in dem Maar. 
Sein Schuppenkleid schimmert so wunderbar,

Wenn er sich zeigt. Die Tiefe erglänzt,
Und das Ufer ist rings wie im Märchen umkränzt

Von seltsamen Glänzen und Blühen und Blust. 
Herrn Heinrich hüpfte das Herz in der Brust

Und er rief, als er erstmals dies alles gewahrt:
„Ein Wunder ist es der heiligen Fahrt!

Die Gnade ist wie ein göttlicher Tau:
Sie weiht uns das Maar und die Burg und die Au!“

Seither haben viele den Fisch gesehen, 
Und zeigte er sich, so ist was geschehen.

Er warnte vor Not und kündete Leid, 
Wer ihn sah, zu dem sprach die Ewigkeit.

Doch als Herr Heinrich, vom Tod gerufen,
Fromm betend stand vor des Himmelsdoms Stufen,

Sprach sterbend er in die schweigsame Runde
Ein weissagend Wort seiner Abschiedsstunde:

„Wenn das Glänzen im Maar sich wieder verdunkelt, 
Kein Wunderfisch in der Tiefe mehr funkelt,

Burg Ulmen einst lange zerfallen ist,
Dann gnade euch Gott und der Herre CHRIST!“

So schied er von hinnen. Burg Ulmen zerfiel.
Der Fisch ist verschwunden. — Wem sagt es noch viel?! . . .

E. K. Pladiner

*) Heinrich von Ulmen machte als Kreuzfahrer 1204 u. a. die Eroberung von Konstantinopel mit.
Der Fisch spielt in Mythos, Sage und Märchen eine große Rolle. Man spricht auch vom „Sternbild edler Fische“.
Den frühen Christen war er das geheimnisvolle Zeichen Christi.