Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr: Parklandschaften im Wandel der Zeit

Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr:

Parklandschaften im Wandel der Zeit

Hubert Rieck

„Der Kurpark mit seinem mächtigen Baumbestand, seinen lauschigen Plätzen an der Ahr ladet zum Verweilen ein und gestattet herrliche Ausblicke auf Gärten, Rebenhänge und die malerische „Landskron“. An der Ahr entlang führt mehrere Kilometer weit eine breite, mit vielen Ruheplätzen versehene Promenade. Mit dem munter dahinspringenden Flüßchen unter den alten Bäumen zu wandern, ist immer eine Erholung.“

Die Sprache dieser Werbeschrift des Heilbades ausdem Jahre 1936 mag für uns heute „blumig“ klingen, trifft jedoch den Wesenskern: Die Parklandschaften sind bis in unsere Zeit ein attraktiver Aktivposten des Heilbades Neuenahr. Darüberhinaus prägen die weitläufigen Parks im Zusammenspiel mit den das mittelalterliche Mauerrund von Ahrweiler umschließenden Grünanlagen das Gesicht der „grünen“ Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.

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Gäste im Kurpark lauschen der Musik des Kurorchesters (ca. 1914).

Kurpark, Dahlien- und Rosengarten, Kaiserin-Augusta-Viktoria-Park, Lenne-Park und Kaiser-Wilhelm-Park sind „gestaltete Natur“, höchst unterschiedlich in ihrem „Charakter“ sowie in ihrer zeitlichen Anlage. Jedoch bilden sie, gerade in ihren Unterschiedlichkeiten, ein Ensemble schöner, harmonisch abgestimmter Parklandschaften.

Kurpark

Beginnen wir unseren „Spaziergang“ im Kurpark, dem Herzstück der Parkanlagen. Der alte, artenreiche Baumbestand, wunderschöne Blumenbeete, die Trink- und Wandelhalle, ein Zierteich, ein groß dimensionierter Springbrunnen sowie ein Geysir, der „Große Sprudel“, prägen entscheidend das heutige Gesicht des Kurgartens. DerKurparkistinersterLinie ein Refugium für die Kurgäste, die in der 1934 erbauten und 1992 renovierten Trink- und Konzerthalle beziehungsweise in den weitläufigen Alleen „ihr“ Heilwasser trinken.

Herzstück aller Parkanlagen ist der Kurgarten auch deshalb, weil seine Anlage mit der Gründung und der offiziellen Einweihung des Heilbades Neuenahr im Jahre 1858 zusammenfällt. Der Verwaltungsrat des sich neu etablierenden Heilbades, bestehend aus einflußreichen Mitgliedern des preußischen Adels und des rheinischen Geldadels, verstanden es, den renommierten „preußischen Generaldirektor aller königlichen Gärten“, Peter Joseph Lenne, und seine Mitarbeiterfür das Projekt„Gestaltung der Kuranlagen“ zu gewinnen. Lennes Pläne für das neue Heilbad, datiert auf die Jahre 1857 beziehungsweise 1862, spiegeln dessen Grundeinstellung wider, wonach die Natur nicht einseitig auf den Menschen ausgerichtet werden dürfte, sondern der Mensch, wenn auch „gestaltet“, auf die Natur eingehen müsse.

Josef Ruiand beschreibt eine Kernplanung für das Heilbad dahingehend, von der höher gelegenen Hochstraße parallel zur gradlinig auf die Ahr verlaufenden Kirchstraße (der heutigen Kurgartenstraße) eine große Anlage in Form eines Ovals bis zur Ahr zu entwickeln. 1) Die ursprünglichen Pläne Lennes wurden unter anderem aus finanziellen Gründen so stark abgeändert, daß der Lenne-Biograph Gerhard Hinze urteilt: „Die heutige Situation in Neuenahr ist eine gänzlich andere als zur Zeit Lennes und sein Plan nur schwer in das heutige Bild einzuordnen.“21

Die Quellenerbohrungen durch Georg Kreuzberg, dessen Gedenkbüste, gefertigt 1883 vom Dresdner Bildhauer Möller, an der Südseite des „Großen Sprudels“ zu sehen ist, leitete einen Prozeß ein, in dem sich die drei ärmlichen Winzerdörfer Beul, Wadenheim und Hemmessen rasant zu dem internationalen Bade Neuenahr entwickelten. Das Heilbad Neuenahr war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein sommerliches Kurbad der oberen Gesellschaftsschichten. Der Kurpark spiegelte dies wider:

Betuchte Kurgäste aus allen Teilen Europas promenierten durch die „Lenneschen“ Alleen, erfreuten sich an den Blumenbeeten, genossen die Kurkonzerte. Zuvor hatten sie sich in der Trink- und Wandelhalle, einer 1894 errichteten, großdimensionierten Eisenkonstruktion, die 1934 abgerissen und ersetzt wurde, ihr Glas mit Heilwasser von Brunnenmädchen füllen lassen. Die einheimischen Brunnenmädchen, die froh sein konnten, während der Kursaison von April bis Oktober ein regelmäßiges Einkommen zu erhalten, verdienten 1904 zwei Mark pro Tag, bei einerArbeitszeit von vierzehn Stunden. Die Mädchen mußten die Sommersaison über wochen- und sonntags, und das waren 98 Stunden pro Woche, durchweg stehend ihre Arbeit verrichten.31 Die Kur Karte, die zum Besuch des Kurgartens und zur Trinkkur berechtigte, kostete für eine Person 24 Mark. Zu dieser Zeit belief sich der Pensionspreis in „Bonn’s Kronenhotel“ zwischen sechs und zehn Mark täglich.

Den Kindern der betuchten Kurgäste stand im Kurpark eine eigener Kinderspielplatz zur Verfügung, heute für Kinder eine Selbstverständlichkeit, damals eine Rarität. Folglich übte dieser Spielplatz auch auf einheimische Kinder einen besonderen Reiz aus. „Getarnt“, in ihrer sonntäglichen Bekleidung, gelangten sie, den offiziellen Eingang umgehend, am Ahrufer entlang in den abgezäunten Kurpark und mischten sich unter die spielenden Kurgastkinder. Jedoch oftmals entdeckten die Aufseher der Kur-AG die einheimischen „Eindringlinge“ an den bekannten Lausbubengesichtern und an ihrer immer noch sehr bescheidenen „Tarnkleidung“. Somit begann das sich häufig wiederholende „Spiel“ der „Vertreibung aus dem Kinderparadies“.

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Brunnenmädchen reichen den Kurgästen das Heilwasser des Willibrordussprudels (ca. 1914)

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Der Kinderspielplatz im Kurpark (ca. 1907).

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Blick auf den Kaiser-Wilhelm-Park mit Schwanenweiher (ca. 1910).

Vielfalt der Parklandschaften

Verlassen wir den Kurpark in westlicher Richtung, Ausgang Oberstraße, so erreichen wir eine einladende Lindenallee. Rechts vom Sparziergänger gelegen fließt die Ahr, die kurz vor der Eröffnung des Bades reguliert worden war. Damit waren erst die Voraussetzungen für die Anlage von Parks geschaffen worden, da die Ahr vormals in mehreren wilden Flußarmen sich ihren Weg suchte.

Noch in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts befand sich auf dem Terrain des jetzigen Dahliengartens eine schäbige Müllkippe. Heute prägt die Blütenpracht der unterschiedlichsten Dahlien diesen „Hauspark“ des Krankenhauses „Maria Hilf“.

Dahlien förderten den Ruf der Stadt Bad Neuenahr in den 50er und 60er Jahren erheblich. Der 1953 ins Leben gerufene „Tag der Dahlie“ mit dem aufwendigen Blumenkorso entwickelte sich zwanzig Mal zu einem Publikumsmagneten, denn Zigtausende, zum Teil in Sonderzügen angereist, wollten diesen Blumenkorso durch die Kurstadt miterleben.

Rosen, dominieren den 1978 auf der linken Ahrseite angelegten gleichnamigen Park, der sich auf dem Areal des niedergelegten Klarissenklosters befindet. Wir erreichen den Rosengarten, nachdem wir über die Amseltalbrücke die Ahr überquert haben. Das Rosenfest, in Analogie zum Dahlienfest, das seit 15 Jahren gefeiert wird und Tausende Besucher alljährlich in seinen Bann zieht, findet im weitläufigen Kurpark statt.

Der Kaiserin-Augusta-Viktoria-Park, gegenüber dem Dahlienpark auf der anderen Ahrseite, imponiert durch seinen alten Baumbestand und erinnert namentlich an die Geburtsstunde des Heilbades: Die damalige Prinzessin Augusta von Preußen, die spätere Kaiserin nahm am 28. Juli 1858 als Ehrengast an der Feier zur Quellenweihe teil.

Folgen wirder verkehrsberuhigten Georg-Kreuzberg-Straße und der Lindenstraße in östlicher Richtung, so gelangen wir, an der Ahrallee spazierend, schließlich zur Schwanenteichbrükke. Sie eröffnet uns den Zugang zum Kaiser-Wilhelm-Park, dessen Schwanenteich schon vor 1914 ein Anziehungspunkt für jung und alt war. „Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit“, diese Leitbegriffe befinden sich auf dem großen Holzkreuz, das die Gedenkstätte im Kaiser-Wilhelm-Park für die getöteten Soldaten der beiden Weltkriege aus Bad Neuenahr überragt. Der,.kaiser-liche“ Park mündet über eine kleine Brücke in den Lenne-Park, der 1927 mit schönen Blumenbeeten, sechs tiefliegenden Tennisplätzen, dem Terrassen-Cafe und einem Strandbad angelegt wurde.

Der „Führer für Kurgäste“ des Jahres 1931 betont den medizinischen Wert sportlicher Aktivitäten: „In dem Tagewerk des Kurgastes spielen die einzelnen Verrichtungen der Trink- und Badekur die größere Rolle. Das schließt aber nicht aus, daß der Abwechslung, der Zerstreuung, der Ablenkung von körperlichen Mißhelligkeiten größte Bedeutung beigemessen wird.“ Der damalige Generaldirektor der Kur-AG Felix Ruften erinnerte milder Namensgebung „Lenne-Park“ an seinen direkten Vorgänger als Direktor der Kur-AG, den Ingenieurhauptmann August Lenne, einen Neffen des königlichen Gartenbauarchitekten Peter-Josef Lenne. Lenne-Park und Kaiser-Wilhelm-Park, der erste im Besitz der Kur-AG, der andere der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gehörend, sind heute die Austragungsstätten für die traditionell in Bad Neuen-ahr stattfindenden Deutschen Meisterschaften der Tennisseniorinnen und -senioren. Beide Parks, wenngleich heute mit einer weit größeren Anzahl von Tennisplätzen ausgestattet, haben eine große Tradition als Sportstätten. So befand sich seit den 30er Jahren im Kaiser-Wilhelm-Park ein Wurftauben- und Scheibenschießstand, wo heute die Bogenschützen des TuS Ahrweiler wesentlich geräuscharmer ihrer Sportart nachgehen. Das Heilbad Neuenahr warb in den 30er Jahren verstärkt mit Reit-, Fahr- und Tennisturnieren, die in beiden Parkanlagen stattfanden.

1909 gab Sanitätsrat Albert Lenne den Kurgästen des Heilbades Neuenahr folgenden, in der Diktion „befremdenden“, aber vielleicht noch heute gültigen Ratschlag: „Man beginnt mit den kürzeren Spaziergängen und lasse diese allmählich zu immer weiteren Ausflügen auswach-sen, dann wird man das vollauf finden, was man erhofft und erstrebt: Belebung und Erfrischung des Gemütes, Kräftigung und Stählung des Körpers.“4)

Anmerkungen;

Mein Dank gilt Herrn Erich Nagel vom Gartenbauamt der Stadt Bad Neuenah r-Ahrweiler, der mir bereitwillig Informationen über die Parkanlage erteilte.

  1. Vgl. Josef Ruland. Gärten von Sanssouci standen Pate, In: Rhein-Zeitung, 04. Oktober 1989.
  2. Gerhard Hinz, Peter Joseph Lenne. Das Gesamtwerk des Gartenarchitekten und Städteplaners. 2 Teil. Hildesheim 1989. S. 490. 
  3. Vgl. Zeitschrift „Gleichheit“. Jg. 1904, Nr 16. S. 124.
  4. Albert Lenne, Spaziergange und Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung Neuenahrs, Neuenahr 1909, S. 3