Zur Baugeschichte der ehemaligen Synagoge Bad Neuenahr

Zur Baugeschichte der ehemaligen Synagoge Bad Neuenahr

Hans Kleinpass

Über die Baugeschichte der ehemaligen Synagoge von Bad Neuenahr ist allgemein nur wenig bekannt. Lediglich eine überlieferte Abbildung zeigt uns, wie diese Synagoge um 1908 ausgesehen hat. Statt des richtigen Baujahrs 1901 wird zudem noch in manchen heimatkundlichen Veröffentlichungen fälschlich das Jahr 1899 angegeben. Wie es 1901 überhaupt zum Bau einer Synagoge in Neuenahr kam, dazu eine kurze Darstellung der Vorgeschichte.

Zur Vorgeschichte

Die Juden der 1875 aus den Orten Beul, Hemmessen und Wadenheim gebildeten Zivilgemeinde „Neuenahr“ gehörten ebenso wie die von Heimersheim bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zur Synagogen-Gemeinde Ahrweiler. Nachdem Georg Kreuzberg 1852 den Apollinaris-Brunnen entdeckt hatte, war mit der anschließenden Erbohrung verschiedener warmer Quellen gleichsam der Grundstein für das moderne Bad Neuenahr gelegt worden. Offensichtlich angelockt vom beginnenden Aufschwung des Heilbades ließ sich 1860 Gottfried Borg von Heimersheim mit seiner Familie in Wadenheim nieder und gründete hier im gleichen Jahr das „Hotel Landskron“. In diesem Hotel bot er ab 1866 seinen jüdischen Glaubensgenossen auch einen Raum zur Feier des jüdischen Gottesdienstes.

Da nun die Juden mehr und mehr von Heimers-heim in das spätere Neuenahr zogen, weil sie in dem aufstrebenden Badeort bessere Möglichkeiten für den Lebensunterhalt fanden, nahm die Zahl der Juden im Heimersheim immer mehr ab. 1870 wurden die Thora-Rollen von Heimersheim in den Betsaal der Juden nach Wadenheim gebracht. Am 13. September 1895 genehmigte der Regierungspräsident in Koblenz schließlich die Bildung einerselbständigen Synagogen-Gemeinde Neuenahr1). wozu auch die Juden von Heimersheim gehörten. Insgesamt 110 Paragraphen umfaßten die „Statuten für die Synagogen-Gemeinde Neuenahr“2) vom 27. Oktober 1895, die am 21. März 1896 auch die „Bestätigung“ des Oberpräsidenten der Rheinprovinz fanden. Bei der Volkszählung am 02. Dezember 1895 wurden in Neuenahr 44 und in Heimersheim 13 Juden gezählt, in der Synagogen-Gemeinde Neuenahr also insgesamt 57. Vier Jahre nach Einweihung der Synagoge in Ahrweiler reifte auch bei den Juden in Neuenahr der Wunsch, für die Gemeindemitglieder und für die jüdischen Kurgäste eine Synagoge zu bauen. In einer dazu einberufenen Gemeindeversammlung wurde am 20. November 1898 die Frage erörtert, ob es notwendig oderwünschenswert sei. in Neuenahr eine Synagoge zu bauen. Ohne Widerspruch nahm die Versammlung eine vom Vorsitzenden Dr. Josef Weidenbaum vorgeschlagene Resolution an. worin es hieß: „Es istim Interesse derGemeinde geboten, bei dem Steigen der Grundwerthe in Neuenahr der Synagogen-Gemeinde einen geeigneten Bauplatz für die Synagoge zu sichern.“

Am 20. Dezember 1898 schrieb der Vorstand der Synagogen-Gemeinde Neuenahr an den Regierungspräsidenten in Koblenz:3) „Die Synagogen-Gemeinde Neuenahr beabsichtigt den Bau einer Synagoge in der hiesigen Gemeinde auf dem Grundstück4) Flur 11 Nr. 1276/646 und 652, welches zu diesem Zwecke käuflich erworben werden soll. Der Kaufpreis des Grundstücks ist mit der Besitzerin Witwe Servaz Groß zu Neuenahr auf 3600 Mark vereinbart worden und soll weder durch Umlagen noch Aufnahme einer Anleihe, sondern lediglich aus freiwilligen Zuwendungen von Gemeinde-Mitgliedern und Kurgästen bestritten werden.(…)“ Die Genehmigung zu diesem Grundstückskauf wurde vom Regierungspräsidenten am 14. März 1899 erteilt. Erst am 27. Juni 1899 wurde vor Notar Jacob Franz Bremus in Ahrweiler der entsprechende Kaufvertrag (Reg.-Nr. 2333/1899) zwischen Frau Maria Christina Groß, geb. Höper und den drei Vorstandsmitgliedern der Synagogen-Gemeinde Neuenahr abgeschlossen. Die Witwe Groß verkaufte damit ihr zu Neuenahr an der Kreuzstraße („am Speich“) gelegenes Wohnhaus mit Hofraum. Kuhstall. Schweinestall, Hausgarten und allem sonstigen Zubehör, insgesamt 622 qm Grundstücksfläche. Auf den vereinbarten Kaufpreis waren laut Vertrag bereits 1600 Mark bezahlt, der Rest war am 1. Juli 1899 fällig.

Finanzierung

Im Frühjahr 1901 wurde die Frage des Synagogenbaus in Neuenahr plötzlich sehr akut. Am 17. April 1901 schrieb der Synagogenvorstand an den Regierungspräsidenten:5) „Nachdem der Synagogengemeinde Neuenahrdas bisher von ihr miethweise als Synagoge benutzte Lokal gekündigt worden, sieht sich dieselbe in die Nothwendigkeit versetzt, auf dem von ihr erworbenen Grundstück eine Synagoge zu erbauen. Da der Gemeinde aber die für ein solches Unternehmen erforderlichen Geldmittel nicht zu Gebote stehen, so will sich dieselbe zunächst damit begnügen, einen Nothbau zu errichten, d. h. einen Saal. in welchem der Gottesdienst wie auch der Religionsunterricht für die Kinder abgehalten werden können. Dieser Nothbau soll derartig konstruirt werden, daß er bei einem späteren vollständigen Synagogenbau in den Rahmen eines solchen paßt. also mit verwendet werden kann. Für den Nothbau und dessen Einrichtung ist eine Kostensumme von 8000 Mark vorgesehen. (…).“Zunächst war folgende Finanzierung geplant: 5000 Mark von der Landesbank der Rheinprovinz als 1. Hypothek, Deckung der restlichen 3000 Mark durch Ausgabe von Anteilscheinen zu je 100 Mark an die Gemeinde-Mitglieder bzw. Eintragung einer 2. Hypothek auf das Synagogengrundstück. Der vom Regierungspräsidenten zur Stellungnahme aufgeforderte Landrat hatte nach seinem Bericht vom 1. Mai 1901 gegen den geplanten Synagogenbau und dessen Finanzierung keinerlei Bedenken und schrieb u. a. zurück: „Die Vermögensverhältnisse der Mitglieder der Synagogen-Gemeinde sind durchweg solche, daß durch den Bau die Leistungsfähigkeit derselben nicht besonders angespannt wird.“ Man verband damals sogar das Angenehme mit dem Nützlichen, um Gelder für den Synagogenbau zu beschaffen: Am Pfingstmontag, dem 27. Mai 1901, 20 Uhr, war im „Hotel goldener Pflug“ in Neuenahr „Schwues-Ball“6), dessen Ertrag für den Neubau der Synagoge bestimmt war.7)

Der Regierungspräsident, dem die geplante Finanzierung der Synagoge offenbar doch zu unsicher schien, forderte am 13. Juni 1901 zur vorgesehenen Kapitalaufnahme die Vorlage entsprechender Schuldentilgungspläne und eine Stellungnahme, wie man die restlichen Schulden zu tilgen gedenke. Die Verhandlungen mit der Landesbank der Rheinprovinz zogen sich monatelang hin. Aus einem Bericht des Landrats an den Regierungspräsidenten vom 17. September 1901 ist zu entnehmen, daß die Zusage des Darlehens immer noch nicht vorlag. Aus der geplanten Kapitalaufnahme bei der Landesbank wurde schließlich nichts, und damit war auch der ursprüngliche Finanzierungsplan hinfällig.

Trotz der noch völlig ungeklärten Finanzierung war jedoch in der Zwischenzeit etwas schier Unglaubliches geschehen. Bereits am 16. März 1901 hatte der Neuenahrer Architekt und Bauunternehmer Heinrich Schmilz der Synagogen-Gemeinde Neuenahr einen Kostenanschlag zum Bau einer Synagogen geliefert, deren Baukosten zunächst auf 6660 Mark veranschlagt waren. Architekt Schmilz ließ sich vorab auf 6000 Mark herunterhandeln und hat dann innerhalb weniger Monate die Synagoge gebaut, wobei die jüdische Gemeindeversammlung am 9. Juni 1901 noch bauliche Änderungen beschloß und hierfür 2000 Mark zusätzlich bewilligte, sodaß von einem „Notbau“ schließlich keine Rede mehr sein konnte.

Bauplan und -ausführung

Eine bei der Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler noch erhaltene Bauakte enthält u. a. das von Abraham Borg unterzeichnete Baugesuch vom 18. März 1901 für einen am „Privatweg“ zu erbauenden „Betsaal“, ferner die ursprünglichen, später anders ausgeführten und im August 1901 nachträglich korrigierten Bauzeichnungen, dazu kurze Prüfungsberichte des technischen Beirates und Baugewerksmeisters Peter Rech aus Neuenahr. Zum Baugesuch der Israelitischen Gemeinde heißt es im Protokollbuch des Gemeinderates Neuenahr am 10. April 1901:

„Gegen den Bau ist nichts einzuwenden mit der Maßgabe, daß das Gebäude mindestens 3 Meter hinter der im Lageplan eingezeichneten Wegegrenze errichtet wird.“ Gemeint war damit der „Privatweg“, dereinige Monate nach Fertigstellung des Synagogenbaus durch Beschluß des Gemeinderates Neuenahr vom 28. Dezember 1901 den Namen „Tempelstraße“ erhielt. Nach dem Baugesuch und den ursprünglichen Bauzeichnungen sollte der mit Falzziegeldach und massiven, 52 cm dicken Umfassungsmauern ausgestattete Synagogenbau zunächst im Innern 10 m lang und 7m breit werden und bis zur ursprünglich geplanten flachen Decke eine lichte Höhe von 5,25 m haben. Später wurde dann der Innenraum auf 11,50 m verlängert, sodaß sich eine Raumgröße von 80,50qm ergab. Als Heizung war im Baugesuch ein Zimmerofen angegeben. Statt der flachen Decke hat man dann eine gewölbte Decke eingebaut und damit in der Mitte des Raumes eine lichte Höhe von etwa 7,80m erreicht. Im Eingangsbereich der Synagoge gab es eine – laut berichtigter Bauzeichnung – 7 m breite und 2,55 m tiefe Empore für die Frauen. Sie war zugänglich über eine Wendeltreppe in einem kleinen Anbau der Synagoge. Nach dem Baugesuch war als Zugang zur Empore ursprünglich wohl nur eine (offene) „Freitreppe“ neben der Synagoge vorgesehen. Die Seitenwände sollten ursprünglich nur 5,50 m hoch werden und jeweils nur zwei Fenster bekommen. Stattdessen wurden die Seitenwände 6 m hoch gebaut und zur Tempelstraße hin mit vier, zu anderen Seite hin mit drei Fenstern versehen, weil dort durch den Anbau für ein viertes Fenster kein Platz war.

Am 1. August 1901 teilte der Vorstand der Synagogen-Gemeinde dem Bürgermeisteramt Neuenahr mit, die Synagoge sei im Rohbau fertiggestellt und man bitte um die baupolizeiliche Abnahme. Da kein innerer Ausbau außer Fußboden und Wandputz erforderlich sei, so hieß es weiter, möge man die Abnahme gleichzeitig als Schlußabnahme gelten lassen. Der mit der Prüfung beauftragte technische Beirat, Baugewerksmeister Peter Rech aus Neuenahr, schrieb jedoch am 7. August 1901 dem Bürgermeister „ergebenst zurück mit dem Bemerken, daß ich den Rohbau der Synagoge hierselbst nicht abnehmen konnte, weil der Verputz, Fußboden etc. schon alles fertig ist und (ich) daher die Construktion nicht beurtheilen kann. Habe nur feststellen können, daß der Bau nicht nach dem genehmigten Plan ausgeführt ist. Der Neubau ist länger und höher, hat mehr Fenster und eine gewölbte Decke anstatt eine grade Balkendecke, wie im Plan vorgesehen. Die Abortanlage ist vergrößert und anders gelegt, die Treppe verändert und der Bau nicht angelegt wie die Situation zeigt. Es wäre daher erwünscht, wenn eine neue Zeichnung dem Neubau entsprechend angefertigt würde, und dann geprüft, sowie der Bau hierauf revidirt. Indem dies ein öffentlicher Bau ist, wäre es wohl von allgemeinem Interesse, den Bauherrn hierzu zu veranlassen“.

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Anzeige in der Kur- und Fremdenliste des Bades Neuenahr, Jg. 1901.

Bürgermeister Faulhaber erhielt am 14. August 1901 dazu folgende Rückäußerung des Architekten Heinrich Schmilz: „Auf Wunsch des Vorstandes der hiesigen Synagogen-Gemeinde wurde das Gebäude circa 1,50 Meter verlängert, anstatt der vorgesehenen horizontalen Decke eine leichte Spalierlattendecke in Elypsenform angebracht. Auch sind bei der Abortsanlage kleine Veränderungen vorgekommen. Es wurde diesseits übersehen, dies dem Bürgermeister-Amte anzuzeigen. Diese Veränderungen sind in den Bauzeichnungen jetzt nachgetragen, und bitte ich die baupolizeiliche Abnahme gütigst veranlassen zu wollen.“ Am 19. August 1901 wurde schließlich die Schlußabnahmebescheinigung für den Synagogenbau ausgestellt, aber es war damals auch von dem Erlaß einer besonderen Strafverfügung die Rede. Selbst die aus nur wenigen Blättern bestehende städtische Bauakte läßt somit erkennen, daß man sich beim Neuenahrer Synagogenbau nicht an die genehmigten Baupläne hielt und für die zahlreichen Änderungen keine Genehmigung eingeholt hatte. Eine nachträglich berichtigte Bauzeichnung trägt einen Prüfvermerk vom 16. August 1901, also genau von dem Tag, an dem die Juden in Neuenahr ihre neue Synagoge einweihten.

Einweihung

Architekt Schmilz hatte jedenfalls alle von der Synagogen-Gemeinde gewünschten Änderungen beim Synagogenbau berücksichtigt und unter Vorlage der gesamten Baukosten so zügig weitergebaut, daß die Synagogen-Gemeinde Neuenahr den Neubau am Freitag, dem 16. August 1901, 17 Uhr, mit einem „Festzug zur neuen Synagoge“ einweihen konnte. Die Einweihung selbst erfolgte durch den Kölner Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal.8) Während die Einweihung der Neuenahrer Synagoge durch zwei Anzeigen im Bonner General-Anzeiger vom 15. und 16. August 1901 groß angekündigt wurde, hat die Ahrweiler Zeitung dieses Ereignis aus unerfindlichen Gründen mit keinem Wort erwähnt.

Streitverfahren

Mit der festlichen Einweihung hatte die Synagogen-Gemeinde Neuenahr nun ihre neue Synagoge bezogen, doch der Architekt und Bauunternehmer Heinrich Schmitz hatte bis dahin noch keinen Pfennig gesehen und erntete auch später alles andere als Dank für seine zügig geleistete Arbeit. Er sollte es noch sehr bereuen, daß es statt klarer schriftlicher Aufträge mit festen Preisabsprachen nur mündliche Anweisungen gegeben hatte, für die Architekt Schmilz später keinen Nachweis liefern konnte. In einem bis 1905 anhängigen Prozeß mußte Architekt Schmitz die Zahlung eines runden Drittels seiner Rechnung einklagen und verzichtete beim schließlic’nen Vergleich noch auf einen kleineren Teil seiner Forderung, um das für ihn sehr unerfreuliche Kapitel endlich abschließen zu können.

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Synagoge Neuenahr, um 1908.

Aus Unterlagen, die im Landeshauptarchiv in Koblenz über dieses Streitverfahren überliefert sind9), erfahren wir auch zur Baugeschichte der Neuenahrer Synagoge noch manche interessante Einzelheiten. Die Stellungnahmen der verschiedenen Beteiligten, Vernehmungsprotokolle und schriftliche Beschwerden werfen kein gutes Licht auf die Zustände in der damaligen Synagogen-Gemeinde Neuenahr, die einen Bau in Auftrag gegeben hatte, obwohl erst Monate nach dessen Fertigstellung das nötige Kapital fest zugesagt wurde.

Am 13. November 1901 konnte der Landrat dem Regierungspräsidenten mitteilen, der Synagogen-Gemeinde Neuenahr sei von der Kreissparkasse Ahrweiler ein Darlehen von 7000 Mark zugesagt, das ab 1902 mit jährlich 200 Mark zu tilgen sei. Auf weitere Darlehen könne verzichtet werden, zumal etwa 2000 Mark an freiwilligen Spenden eingegangen seien. Bereits am 19. November 1901 genehmigte der Regierungspräsident die Kapitalaufnahme bei der Kreissparkasse Ahrweiler, und die jährlichen Zins- und Tilgungsbeträge erschienen später jeweils auch im Etat der Synagogen-Gemeinde. Fast gleichzeitig erzielte die Synagogen-Gemeinde weitere Einnahmen aus dem Verkauf des nicht für den Synagogenbau benötigten Grundstücks. Mit Vertrag vor Notar Jacob Franz Bremus in Ahrweiler vom 13. November 1901 (Reg.-Nr. 787/1901) veräußerte die Synagogen-Gemeinde das Grundstück Flur 11, Nr. 652, Kreuzstraße („Am Speich“) mit Wohnhaus und Hofraum, insgesamt 149 qm, an den Neuenahrer Kaufmann Gustav Jox und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Kirch. Der Kaufpreis von 3000 Mark war fällig am 1. Januar 1902. Fürdie Verkäufer unterzeichnete der Hotelbesitzer Abraham Borg als Vorstandsvorsitzender den Vertrag, deram 27. Dezember 1901 vom Regierungspräsidenten genehmigt wurde.10) Als Synagogengrundstück war somit nur der ehemalige Hausgarten (Parz. 1276/649) verwendet worden.

Die vom Architekten und Bauunternehmer Heinrich Schmitz am 1. November 1901 erstellte Rechnung für den Synagogenbau belief sich auf insgesamt 8672,12 Mark. Am 25. Februar 1902 zahlte die Synagogen-Gemeinde an Schmitz einen Teilbetrag von 6000 Mark, während der Rest bis 1905 strittig blieb und Schmitz deswegen Klage erheben mußte.

Erst durch eine umfangreiche Beschwerde des Dr. Josef Weidenbaum vom 16. Mai 1904 erfuhr auch der Regierungspräsident und damit die Aufsichtsbehörde vom Prozeß des Architekten Schmitz gegen die Synagogen-Gemeinde Neuenahr11). Dr. Weidenbaum, vom 09. Oktober 1895 bis zum Frühjahr 1899 Vorstandsvorsitzender der Synagogen-Gemeinde Neuenahr, wollte mit seiner Beschwerde den Regierungspräsidenten auf „Mißstände in dieser Gemeinde“ aufmerksam machen, um „den willkürlichen Verbrauch der als Cultussteuer erhobenen Beiträge zu verhüten“. Dr. Weidenbaum schrieb u. a., er zahle mehr als ein Drittel der von allen Mitgliedern der Synagogen-Gemeinde gezahlten Einkommensteuer und damit auch entsprechend viel „Cultussteuer“. Die Herren Moritz und Emil Borg dagegen, die jeder mindestens ein Vermögen von 50 000 Mark besäßen, seien „infolge von Terrainspekulationen“ von der Einkommensteuer und damit auch von der Cultussteuer befreit. Überhaupt, so Dr. Weidenbaum, könne man „die große Anzahl der Gemeindemitglieder als wohlhabend bezeichnen.“Da dieselben aber geringe Einkommen versteuerten, hätten sie auch wenig zu den Lasten der Gemeinde beizutragen. Im übrigen gehörten von den 16 stimmberechtigten Mitgliedern der Gemeinde acht der Familie Borg an. Es sei daher vollständig zwecklos, in einer Gemeindeversammlung seine Rechte wahren zu wollen. Auf seine mehrfachen Proteste, die er in den letzten 2-3 Jahren an den Synagogenvorstand gerichtet habe, sei ihm bisher keine Antwort erteilt worden. Auch in der Streitsache mit dem Architekten Schmitz zeige sich etwas, was für die ganzen Zustände in dieser Gemeinde bezeichnend sei. Auch der Vorstand, so Dr. Weidenbaum weiter, bestreite nunmehr, jene Aufträge erteilt zu haben, und es habe den Anschein, als ob einzelne Gemeindemitglieder diese Aufträge erteilt hätten in der Zuversicht, daß der Familienanhang (Borg) in der Gemeindeversammlung nachträglich Beschlüsse fassen werde, um diese Mehrkosten auf die Steuerzahler abzuwälzen. Nur seine Forderung, vor der Auszahlung die Genehmigung des Regierungspräsidenten einzuholen, hätte einen derartigen Beschluß verhindert und schließlich wohl auch den Architekten zu seiner Klage veranlaßt.

Die nach dieser massiven Beschwerde des Dr. Weidenbaum zwangsläufig einsetzende Welle von Rückfragen und Vernehmungen ergab trotz aller Beharrlichkeit des Regierungspräsidenten letztlich kein völlig klares Bild. Michael Gottschalk, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der Synagogen-Gemeinde Neuenahr, erklärte am 7. Juni 1904 u. a., er sei „nicht in der Lage, genügende Auskunft in dieser Frage geben zu können“ und verwies auf den früheren Vorsitzenden Abraham Borg. Bei einer erneuten Anhörung am 26. August 1904 erklärte Michael Gottschalk u. a., die Gemeindeversammlung habe am 25. März 1901 für den Synagogenbau 6000 Mark bewilligt. Der Bau sei Schmitz von Abraham Borg und Philipp Vos in Gegenwart des Leopold Woiff übertragen worden. Ob ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden sei, wisse er nicht. Später habe sich die Notwendigkeit ergeben, den Bau etwas anders ausführen zu lassen, etwas größer zu bauen und statt der glatten eine gewölbte Decke einzubauen. Am 9. Juni 1901 habe die Gemeindeversammlung für die bereits erfolgten und etwa noch nötigen Änderungen zusätzlich 2000 Mark bewilligt. Schmitz habe nach Verbrauch der 6000 Mark eine Rechnung vorlegen und weitere Aufträge abwarten sollen, habe aber weitergebaut. Irgendwelche Schriftstücke über den Prozeß gegen Schmitz habe er von dem früheren Vorsitzenden Abraham Borg nicht erhalten und kenne nicht einmal die Klageschrift.

Am 3. September 1904 wandte sich der Architekt Heinrich Schmitz an den Regierungspräsidenten, bat diesen um entsprechende Anweisung, damit die Synagogen-Gemeinde den Restbetrag seiner Rechnung auszahle und schrieb u. a.12): „Im Jahre 1901 übernahm ich den Neubau einer Synagoge für die hiesige Israelitische Gemeinde, welchen ich auch im nämlichen Jahre ausführte. Der Neubau sollte in ganz einfacher Weise mit gewöhnlicher Balkendecke nach vorgelegter, von mir ausgearbeiteter Bauzeichnung für die Sa. von 6000 Mark ausgeführt werden. Bei Beginn der Arbeiten wurde mit von dem Vorsitzenden bzw. Vorstand der bes(agten) Gemeinde aufgegeben, den Neubau zu vergrößern und anstatt der flachen Balkenlagendecke mit einem Gewölbe zu versehen, die Aborte zu vergrößern. Später wurde Auftrag erteilt, die Aufmauerung und Stuckarbeiten eines neuen Altar in der Synagoge auszuführen, den Platz zu ebnen und mit Sand zu übertragen, denselben einzufriedigen und noch verschiedene Arbeiten für die Einweihungsfeier auszuführen. Es wurde mir dabei von dem Vorsitzenden und einigen Vorstandsmitgliedern der Gemeinde erklärt, es seien für diese Ausführungen von der Gemeinde 2000 Mark bewilligt, und der Rest sollte durch freiwillige Sammlungen aufgebracht werden. Die erweiterten Baupläne und Baugesuch ist von dem Vorsitzenden unterzeichnet und liegt bei den Bauacten auf hiesigem Bürgermeister-Amte vor. Meine eingereichte Rechnung belief sich ursprünglich auf 8762,12 Mark und wurde nachträglich auf 8894,38 Mark berichtigt nebst Zinsen. Hierauf hat mir die Gemeinde 6000 Mark bezahlt, hat dann versucht, den Betrag herabzuhandeln und erklärten mir schließlich, nachdem ich auf mehrfache Bitte um Zahlung kein Gehör fand und den Restbetrag einklagen ließ, die Vorstandsmitglieder der Synagogen-Gemeinde wären nicht alle mit dem Beschlüsse zur Erweiterung und Überwölbung des Neubaues einverstanden gewesen. Daß die Gemeinde sich zur Zahlung verpflichtet hielt, geht auch schon aus dem beigefügten Schreiben ihres Anwalt Dr. von Davidsohn hervor, worin die Gemeinde mir außer den bereits gezahlten 6000 Mark noch 2000 Mark weiter anbieten ließ. Das fehlende Geld zur Zahlung meiner Restforderung hat die Gemeinde gesammelt und in die Sparkasse eingelegt (…). Ich erlaube mir noch ergebenst anzuführen, da ich hoffte, mit der Gemeinde doch in Güte zurecht zu kommen, habe ich den eingeleiteten Prozeß vorläufig ruhen lassen. Ein schriftlicher Vertrag über die Übernahme ist nicht abgeschlossen, sondern mir sowohl der ursprüngliche, wie der nachträgliche Auftrag mündlich von dem Vorsitzenden erteilt worden. Es stand mir nun doch nicht gut an, hierbei zu fragen, ob der Vorstand der Gemeinde seine Bücher resp. Beschlüsse in Ordnung habe. Die Mehrarbeiten sind auch wirklich ausgeführt und wird das Gebäude schon fast 3 Jahre von der Gemeinde benutzt. Die Gelder sind vorhanden. Mein Geld habe ich im Geschäfte sehr nöthig zu brauchen. Ich erlaube mir daher die Königl. Regierung hiermit ganz ergebenst zu bitten, die hiesige Synagogen-Gemeinde gütigst anweisen zu wollen, mir den Restbetrag meiner Rechnung baldgefälligst auszuzahlen. Hochachtend Heinr. Schmilz, Architekt“.

Der Gastwirt Abraham Borg erklärte dazu bei seiner Anhörung am 3. Oktober 1904, zunächst habe Schmitz die Synagoge für 6000 Mark bauen sollen. Am 9. Juni 1901 seien von der Gemeindeversammlung Änderungen des ursprünglichen Bauplanes beschlossen und hierfür 2000 Mark zusätzlich bewilligt worden. Schmitz habe Anweisung gehabt, nach Fertigstellung des Rohbaues eine Abrechnung vorzulegen, damit die Gemeinde über die Mehrkosten für die Änderungen hätte entscheiden können. Schmitz habe aber die Rechnung erst nach völliger Fertigstellung des Synagogenbaus vorgelegt, ohne speziell nachzuweisen, welche Mehrkosten durch die nachträglich von der Gemeinde gewünschten Änderungen entstanden seien. Zur Vergrößerung der Abort-Anlage, zur Aufmauerung eines neuen Altars und für die zusätzlich berechneten Arbeiten habe Schmitz von ihm keinen Auftrag erhalten. Am 04. Oktober 1904 schickte der Landrat die verschiedenen Vernehmungsprotokolle an den Regierungspräsidenten und meinte dazu, es bestehe seines Erachtens „gar kein Anlaß zu einem Eingreifen seitens der Behörde in den rein privaten Rechtsstreit zwischen der Synagogen-Gemeinde und dem Bauunternehmer Schmitz, der schon vielfach mit seinen Auftraggebern Differenzen wegen Bauausführung hatte“.

Letztere Behauptung des Landrats grenzt fast an Rufmord, denn die Synagogen-Gemeinde hafte nicht die Qualität der Bauarbeiten, sondern die Abrechnung beanstandet. Jedenfalls schloß der Regierungspräsident sich der Meinung des Landrates an und schrieb dem Architekten Schmitz am 12. Oktober 1904, daß er „keine Veranlassung habe, in die aus dem Synagogenbau entstandenen, zum Gegenstand eines Rechtsstreits gemachten Differenzen einzugreifen.“

Der Regierungspräsident blieb jedoch weiterhin interessiert und forderte am 18. Februar 1905 vom Landrat einen Bericht über Umfang und Stand des Prozesses mit Schmitz sowie über den geplanten Vergleich. Neben einer erneuten, eigenhändig geschriebenen Stellungnahme des Michael Gottschalk vom 5. März 1905 ist auch die Antwort des Architekten Schmitz vom 1. März 1905 überliefert, worin er seine Restforderung einschließlich Zinsen mit 3271,11 Mark angibt. Weiter schreibt er: „Der frühere Vorsitzende A(braham) Borg hat am Gerichte als Zeugezugestanden, mirAuftrag zu den berechneten Arbeiten (…) ertheilt zu haben. Weil ich nun einen langen und kostspieligen Prozeß mit der Gemeinde vermeiden wollte, und ich auch mein Geld in meinem Geschäfte nöthig gebrauche, so habe ich den Vergleichsabschluß mit der Gemeinde lautend auf 2500 Mark gemacht, welcher mit einem bedeutenden Verluste für mich abschließt. Ich bitte jedoch um baldige Genehmigung des Beschlusses, um in den Besitz meines längst verdienten Geldes zu kommen und nicht noch weitere Zinsverluste zu haben.“ Der am 12. Februar 1905 zwischen dem Architekten Schmilz und der Synagogen-Gemeinde Neuenahrabgeschlossene Vergleich wurde am 19. März 1905 durch den Regierungspräsidenten genehmigt.13) Die Baukosten der ehemaligen Synagoge in Bad Neuenahr betrugen demnach 8500 Mark, fürden Architekten und Bauunternehmer Heinrich Schmilz ein ebenso ärgerliches wie verlustreiches Geschärt. Andererseits mußte aber gerade er die geltenden Vorschriften und den Verfahrensablauf genau kennen, denn der Gemeinderat Neuenahr hatte am 10. Januar 1901 generell beschlossen, zur Prüfung von Baugesuchen sowie zur Rohbauabnahme und zur Schlußabnahme jeweils den Maurermeister Schmitz oder stellvertretend den Baugewerksmeister Rech heranzuziehen.

Überliefert ist in der städtischen Bauakte auch eine Zeichnung für ein Baugesuch vom 15. April 1914 zum Bau einer soliden Einfriedigung des Synagogengrundstücks an der Tempelstraße. Ob dieser Plan, der zur Tempelstraße hin u. a. auch ein zweiflügeliges schmiedeeisernes Tor vorsah, wenige Monate vor Beginn des 1. Weltkrieges noch verwirklicht worden ist, geht aus den Akten nicht hervor.

Im Gegensatz zu dem jüdischen Gotteshaus in Ahrweiler war die Synagoge in Neuenahr verputzt und hell gestrichen.14)Auch die hebräische Inschrift über dem an der Westseite gelegenen Eingang kennzeichnete das Gebäude als jüdisches Gotteshaus. Der von Westen nach Osten ausgerichtete Synagogenbau lag auch nicht genau parallel zur Tempelstraße. Schon in seinem Prüfungsbericht vom 16. August 1901 hatte Baugewerksmeister Peter Rech vermerkt, „daß der Bau der Synagoge nicht parallel mit der Wegegrenze und auch nicht steht, wie in der Situation eingezeichnet ist“.

Erstaunlicherweise führte die „Tempelstraße“ in Bad Neuenahr ihren 1901 festgelegten Namen noch bis Ende 1938, nachdem die dort gelegene Synagoge bereits bei den Judenpogromen nach der „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938 der Brandstiftung durch die Nazis zum Opfer gefallen war. Auf Antrag des damaligen Ortsgruppenleiters Thür beriet die Gemeindevertretung Bad Neuenahr am 20. Dezember 1938 über die Umbenennung dieser Straße. Der Vorschlag, die Straße nach dem seinerzeit verstorbenen Neuenahrer Ehrenbürger Karl Brinkmann zu benennen, wurde abgelehnt, weil man diese Straße zur Ehrung eines alten und verdienten Parteigenossen nichtfürwürdig hielt. Gemeinderat Dr. Quednow war dafür, diese Straße nach dem alten Gemarkungsnamen zu benennen. Schließlich jedoch entschied sich die Gemeindevertretung für den Vorschlag des Gemeinderates Schneider, die Tempelstraße in „Wadenheimer Straße“ umzubenennen.

Da sich im Lauf der Jahrzehnte die Grundstücksgrenzen auch in diesem Bereich aus den verschiedensten Gründen sehr verändert haben, gibt es das ehemalige Synagogengrundstück in seiner ursprünglichen Größe und Ausdehnung nicht mehr. Wo einst die Synagoge stand, ist heute überwiegend freie Fläche. Lediglich der östliche Gebäudeteil mit der Altarseite ragte wohl teilweise in das heutige Grundstück Wadenheimer Straße 8, auf dem jetzt ein großes Mehrfamilienhaus steht. Leider enthält auch die städtische Bauakte keinerlei Hinweis, wann die zuletzt offenbar unter der Anschrift Wadenheimer Straße 10 geführte Ruine der ausgebrannten Synagoge abgebrochen wurde.

Anmerkungen:

  1. Landeshauptarchiv Koblenz, (LHA Ko), Best. 441. Nr. 25263, S 5
  2. LHA Ko, Best. 403. Nr. 10216. S. 656-680.
  3. LHA Ko. Best. 441, Nr. 25263, S. 91.
  4. Die Parz.-Nrn. lauteten gemäß Grundbuch und Kaufvertrag richtig; Nr. 1276/649 und 652. – Diesen Hinweise verdanke ich Herrn Heinz Lindlahr/Bad Neuenahr.
  5. LHAKo, Best. 441. Nr. 25263, S. 179-181.
  6. Wochenfest (hebr Schawuot/im Volksmund -Schwues“), Fest der Ernte, 50 Tage nach Ostern.
  7. Vgl. Anzeigen in ; General-Anzeiger (Bonn) v.18., 22. und 25.5.1901.
  8. Dr. phil Ludwig Rosenthal, geb. 19.04.1870 Wittelshofen/ Mittelfranken, gest. 28.06.1938 Köln, von 1897.1938 Rabbiner in Köln.
  9. Vgl. dazu ausführlich: LHA Ko. Best. 441. Nr. 25263.
  10. LHAKo, Best 441, Nr 25263, S 215-216. 
  11. Desgl.. S. 265-270.
  12. Desgl., S 285-287.
  13. Desgl.. S. 351.
  14. Vgl. dazu die Abbildungen in :“Kreis Ahrweiler unter dem Hakenkreuz“, (Bad Neuenahr-Ahrweiler) 1989. S. 232; Synagoge Ahrweiler, S. 234: ehem. Synagoge Bad Neuenahr.