Gegenreformation im Breisiger Ländchen anno 1587 – „Eine klägliche und erbärmliche, ja auch schreckliche Historia…“

Gegenreformation im Breisiger Ländchen anno 1587

„Eine klägliche und erbärmliche, ja auch schreckliche Historia…“

Heino Möhring

Als „schreckliche Historia“ wurde im Jahre 1588 eine Flugschrift veröffentlicht, die die grausamen Vorgänge eines Überfalls schildert, den jülische Truppen im August des Jahres 1587 auf das damals protestantische Breisiger Ländchen verübt hatten. Ein zur selben Zeit verbreiteter Kupferstich veranschaulicht jenen brutalen Akt der Unterdrückung und der Kriegsgreuel auf eindringliche Weise. Doch, so fragt man sich heute, wie konnte es dazu kommen?

Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts überall in Deutschland die Glaubenskriege ausbrachen und sich zahlreiche Städte und Landesfürsten der Lehre Luthers anschlössen, wurde schließlich im Religionsfrieden zu Augsburg von 1555 die Gleichberechtigung von katholischem und lutherischem Bekenntnis reichsrechtlich anerkannt. Für die praktische Glaubensausübung bedeutete dies, daß die Untertanen nach der Devise „cuius regio, eius religio“ dem Bekenntnis ihres Landesherrn zu folgen hatten.

Im Ländchen Breisig war die Glaubensfrage jedoch nicht so einfach zu regeln, da hier die Fürstäbtissinnen des Kaiserlich freiweltlichen Stifts zu Essen und die Grafen zu Jülich eine Doppelherrschaft praktizierten, zu denen sich als dritte Obrigkeit noch die Herren des Florin-stifts zu Koblenz gesellten, die ebenfalls ihre alt hergebrachten Rechte geltend machten. Breisig wird protestantisch Anfänglich ließ man die Breisiger, die sich rasch der neuen Lehre zuwandten, ungehindert ihren neuen Glauben praktizieren. Die Essener Äbtissinnen als katholische Obrigkeit schienen sich mit der Ablieferung ihrer Einkünfte zufriedenzugeben und wagten nicht, gegen ihre Untertanen vorzugehen, solange’im jülischen Hof eine reformationsfreundliche Partei des Sagen hatte. Der erste evangelische Geistliche im Ländchen war Pastor Johannes Schwan in Oberbreisig. Ihm stand bei der Durchführung des Reformationswerks ab 1559 Jodocus Molitor als Gehilfe an der Hospitalskapelle in Niederbreisig zur Seite.

Gegenmaßnahmen

Als sich jedoch im Jahre 1567 die Stimmung der Herzogs von Jülich und Berg gegen die Reformierten wandte, konnte auch die Essener Äbtissin Irmgard, geb. Gräfin zu Diepholz, ein energisches und feindliches Auftreten wagen. Gegen Pastor Schwan wurde eine Gehaltssperre verfügt. Zwei Jahre später wurde er vom jülischen Amtmann gefangengenommen und in ein Gefängnis nach Münstereifel verbracht, aus dem er erst 1571 auf Fürsprache einiger evangelischer Fürsten wieder entlassen wurde. Die an seine Stelle ins Breisiger Ländchen berufenen katholischen Pfarrer Reppelmundt und Oberehe nahmen entweder ihr Amt nicht wahr oder wurden von der nun vollständig zum lutherischen Glauben übergewechselten Gemeinde nicht anerkannt. Stattdessen predigten nach 1575 zwei Augustinermönche und nach 1584 der aus Antwerpen vertriebene Prediger reformierten Glaubens Adolf Fischer im Sinne Luthers.

Das Unheil beginnt

Da 1578 die Essener Äbtissin Elsbetha, Gräfin von Manderscheid-Blankenheim, zur reformierten Lehre übertrat und ihr Amt niederlegte und auch ihre Nachfolgerin, Gräfin Elisabeth von Sayn, der neuen Lehre nicht abgeneigt war, schalteten sich die Herren des Florinstifts zu Koblenz ein, um die Gegenreformation im Ländchen durchzusetzen. Mit der Bitte um Unterstützung gegen die Breisiger „Ketzer“ wandten sie sich an den Trierer Erzbischof, an mehrere katholische Fürsten und selbst an den päpstlichen Nuntius. Eine grausame Exekution gegen die „Calvinistischen Hunde“ in Breisig, die „schlimmer als die Türken“ seien, wurde beschlossen. Der Marschall Bertram von Nessel-rath erhielt vom jülischen Herzog die Order, den Ort mit 200 Reitern und 300 Schützen zu besetzen, die Einwohner, auch die angesehensten, ohne Scheu anzugreifen und beim geringsten Fluchtversuch niederzuschießen. 

Der Überfall

Als sich die Kriegsknechte in der Nacht vom 6. auf den 7. August bei Sinzig versammelten, da wurden sie nach zeitgenössischen Berichten plötzlich durch Blitze vom Himmel erschreckt. Auch konnte man angeblich über dem Ländchen Breisig ein Zeichen in Form eines feurigen Speers am Himmel sehen, dessen Spitze blutrot gefärbt war. Das deutete man dahingehend, daß entweder den Breisigern oder den Soldaten ein großes Unheil bevorstände.

Dann rückte das Kriegsvolk vor und umstellte gegen zwei Uhr morgens den Ort. Ein Landmann, der bereits um diese Zeit aufs Feld fahren wollte, wurde gleich am Kölner Tor erschossen, dasselbe Schicksal ereilte einen Fischer in seinem Kahn auf dem Rhein. Anschließend drangen die Soldaten von zwei Seiten, von Süden durch das Koblenzer und von Norden durch das Kölner Tor, in Breisig ein. Beide Tore waren nicht mit Wachen besetzt. Mit ihrem Kriegsgeschrei, den Trommeln und einer wilden Schießerei rissen sie die Bewohner jäh aus dem Schlaf. Auf dem Gemeindekeller trafen die Kriegshaufen wieder aufeinander und beschossen sich in der Dunkelheit und in der allgemeinen Verwirrung gar gegenseitig, so daß achtzehn von ihnen, einige sogartödlich, verwundet wurden. Sie drangen in das Haus des Bürgermeisters Peter König ein, durchsuchten und plünderten es. Seine Frau und die Kinder konnten nur durch das Eingreifen eines Rittmeisters namens Reuscheberg gerettet werden, denn sonst hätte die wütende Meute sie ermordet. Peter König hingegen hatte sich rechtzeitig in einer Scheune verstecken können, von wo aus ihm später die Flucht über den Rhein nach Hönningen gelang.

Auch der Prediger Adolf Fischer konnte entkommen, obwohl sein Haus von Kriegern umstellt war. Er floh in den südlichen Wallgraben, wohin man ihm unbemerkt einige Bauernkleider brachte, in denen er der Gefangennahme durch seine Verfolger entging. Er fand in Rheinbrohl, das zum Gebiet des protestantischen Grafen von Sayn gehörte, Aufnahme. Fischers Eigentum hingegen wurde zerstört. Die Soldaten verbrannten seine Bücher und verzapften seinen Wein. Bis an die Knöchel sollen sie im Keller seines Hauses im roten Rebensaft gestanden haben.

Schreckliches Treiben der Soldateka 

Die berauschten Kriegshorden machten sich über die Bewohner her. Sie steckten ihre Häuser in Brand, verwüsteten die Felder und vergingen sich an Frauen und Kindern. Sogar vor dem Gotteshaus machten die Unholde nicht halt. Sie drangen in die Kirche von Oberbreisig ein, raubten den Opferstock aus und schleiften die Heiligenbilder durch die Straßen. Zweimal führten sie einen in weißes Leinen gehüllten Hund zum Taufstein und gaben ihm christliche Namen. Dann ließen sie einen Kindtaufschmaus folgen. Sieben Tage lang wütete das jülische Kriegsvolk im Namen der „wahren Religion“ im Breisiger Ländchen, dann wurde die Pfarrkirche dem vom Florinstift berufenen katholischen Geistlichen Oberehe übergeben.

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Flugblatt „Brysich“ aus dem Jahre 1588

Als wiederum eine Woche später einige Breisiger nach Sinzig geschickt wurden, um Wein für die immer noch einquartierten Soldaten zu besorgen, wurde vom dortigen jülischen Amtmann denjenigen Befreiung von der Einquartierung versprochen, die sich schriftlich bereit erklärten, den gewünschten religiösen Gehorsam zu leisten. Am 26. August schließlich trieb man die Einwohner auf einem Hof zusammen und zwang sie zu dem Versprechen, sich künftig der katholischen Kirche fügen zu wollen.

Das Verbrechen an den Breisigern muß so fürchterlich gewesen sein, daß sogar Graf Salentin von Isenburg, selbst ein Vertreter der katholischen Seite, das Schreien der Gepeinigten auf der anderen Rheinseite (Arenfels) mitanhören mußte. Ihm ist es schießlich mit zu verdanken, daß sich die jülischen Truppen am 27. August aus Breisig zurückzogen.

Doch bereits am Q.Mai des folgenden Jahres erschien abermals eine Abteilung Schützen in Breisig, um angeblich den Jungherzog Wilhelm von Jülich zu erwarten. Wiederum drangen sie in das Haus des Peter König ein, mißhandelten seine Schwägerin, deren Tochter und auch das Hausgesinde. Dann nahmen sie den Bürgermeister gefangen und führten ihn in den Kerker nach Münstereifel. Es folgten noch weitere Drangsale.

Literatur:

Karl Sinemus, Die Reformation und Gegenreformation in der ehemaligen Herrschart Breisig am Rhein Barmen 1883 Heino Möhring, Unterhaltsamer Wegweiser durch Bad Breisig, Berlin 1990