Köhlermattes

In der Tiefe der Wälder 

In den dunklen Wäldern der Vulkaneifel, fern vom lauten Getriebe der Welt. lag das Gehöft auf einer Waldlichtung, umgeben von rauchenden Kohlenmeilern.

Selten nur kamen Menschen in diese Einsamkeit. Etwas Unheimliches, so sagten die Bauern im Kirchdorf, umgäbe diesen Ort. Die Alten erzählten. daß hier. an der Kohlstraße. wo einst der Marschtritt römischer Legionen erschallte. Geister hausten.

Eine Ödung war der verrufene Ort inmitten der Wälder. Hier stand zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Dorf. das die schwedischen Reiter brandschatzten. Nie mehr kehrten die geflohenen Bauern an diesen Unheilsort zurück. Nur eine große Lichtung war geblieben und hier hauste ein klobiger Patron mit seinem Knecht, mit Weib und Söhnchen, Pferd, zwei Kühen, Ziegen und Schafen. Herr der rauchenden Meiler, ein Kerl wie ein Baum, gallig, schweigsam: der Köhlermattes.

„Wenn mir dann sehn. maache mir leewer en Ömwösch“. sagten die Dorfleute. Scheuen Abstand wahrten sie. wenn Mattes mit seinem Fuhrwerk ins Dorf kam. Er hielt stets vor dem niedrigen Wirtshaus, dem „Tresterhüsje“, band sein Roß an, trank stehend an der Theke zwei Kännchen Klaren, zahlte, ging schweigend wie er gekommen wieder hinaus. Der Mattes war fleißig, das mußte man ihm lassen: nicht nur seine Meiler versorgte er fachgerecht. Einmal im Monat war er für Tage mit hochbeladenem Wagen unterwegs in die ferne Stadt. Manchmal brachte er seine Holzkohle bis hinunter an den Rhein, verlud im kleinen Hafen die Kohlensäcke auf Schiffe, die rheinabwärts fuhren.

Am Rande der Fichtendickungen. wo der alte. mächtige Buchenwald begann, lagen drei langgestreckte Äckerchen, die Mattes mit seiner Frau Bäb und Vinzenz, dem Knecht, bebaute. Kartoffeln. Gerste, Spelt, Rüben und Hafer wuchsen hier. Mit den Erträgen konnte die Köhlerfamilie lange eisige Eifelwinter überstehen.

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Zeichnungen: J. F. Luxem.

In dieser Wildnis, fern von Dorf und Menschen wuchs der einzige Sohn des Köhlers, der kleine Quirin auf. Ingrimmig meinte der Vater einmal: „Dat Könd ös janz us der An jeschlohn, en Nesthocker bleiwt dat Jöngelche, der Herr nie ens zopacke!“ Es stimmte. Quirin war ein kränkliches Kind. ein Tagträumer, so meinte der Knecht. „Der hart et em Kopp un net en de Faust“, sagte Vinzenz. der den Knaben mochte und sich viel um ihn kümmerte. Wenn der Junge die Ziegen und Schafe auf Waldwiesen hütete, übte er mit einer erstaunlichen Kunstfertigkeit und Lernwillen Lieder und eigene Melodien auf einer Flöte, die ihm der Knecht geschnitzt hatte.

Ja, der Knecht war weit herumgekommen in der Welt. Als Wanderbursche in jungen Jahren unterwegs, blieb er lange Zeit im Donautal, zog weiter südwärts, arbeitete als Holzfäller und Köhlerknecht im Tirolischen. Von dort hatte er seltsame Musikinstrumente mitgebracht. Maultrommeln und Strohharfe und er lehne den Knaben darauf zu spielen:

Einen lernbegierigeren Schüler hätte sich der Dorfschulmeister nicht zu wünschen brauchen. Alles, was mit Instrumenten, Liedern, Melodien zu tun hatte, ging Quirin leicht von der Hand, unterstützt von seinen Träumen und einem fabelhaften Gedächtnis.

Die Meiler rauchen 

Unweit vom Gehöft harte ein Herbststurm vor langer Zeit eine Lichtung in den Fichtenwald gerissen. Hier lagen die Meiler des Köhlers, in denen er vom Ende schneereicher Eifelwinter bis zum späten Herbst Holzkohle gewann.

Auf großer Fläche, kreisrund, bis zehn Meter im Durchmesser errichteten Mattes und sein Knecht ihre Kohlenmeiler. Schwer war die Arbeit, mühevoll: sie folgten der Überlieferung von Generationen. Zuerst wickelten sie Reisig um einen dicken Holzpfahl. schichteten um ihn herum kegelförmig lange Buchenscheite. bis gleichmäßig in seiner Form ein mächtiger Holzkegel entstand. Sorgfältig bedeckten sie das Holz mit Erde. stachen mit einem Torfspaten Grassoden aus. die sie Stück für Stück über die Erde schichteten.

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War diese Arbeit vollendet. zogen die Männer den Pfahl aus dem Quendelschacht heraus. Dem Köhler blieb es vorbehalten, den Meiler durch den freigewordenen Schacht. den er vorher mit Holzkohle füllte, anzuzünden.

Luftlöcher im Meiler sorgten für eine geringe Zufuhr von Sauerstoff. Ihr Öffnen und Verschließen regelt die Luftzufuhr und führt zum langsamen Vorgang des Schwelens und zum Verkohlen der Buchenscheite.

Tag und Nacht überwachten Mattes und Vinzenz ihre Meiler. Wehe. wenn durch Unachtsamkeit zu viel Luft in die Kanäle strömte. Dann konnte es geschehen, daß die Scheite im Inneren des Meilers verbrannten und alle Arbeit war umsonst.

Über zwei Wochen glühte das Holz in den Meilern und es war jedesmal ein besonderes Ereignis, wenn Köhler und Knecht mit langen Eisenhaken die Meiler auseinanderzogen. die glühende Holzkohle. Ergebnis der Arbeit, mit Wasser übergossen, um sie erkalten zu lassen. Später wurden die Holzkohlenstücke in grobe Jutesäcke verpackt, die der Knecht in der Scheune aufeinanderschichtete.

Don lagenen sie. bis Köhlermattes sie eines Tages auflud und sie über die alte Kohlstraße zum kleinen Hafen am Rheinstrom brachte.

Gut zahlende Abnehmer fand der pfiffige Köhler allewege. Auf der anderen Rheinseite brauchte man seine Holzkohle zum Verhütten von Eisenerz. Dies hatte der Köhler seinem Söhnchen beigehracht: um eine einzige Tonne Eisenerz in den alten Rennöfen zu gewinnen. benötigte man sage und schreibe fünf Tonnen Holzkohle. Und um diese zu erzeugen. schlug ein Köhler dreißig Tonnen trockenen Buchenholzes für seine Meiler. Kein Wunder, daß die Förster mit Ingrimm die Bestände alter Buchenwälder schwinden sahen. Ja. rechnen konnte der Mattes und sparsam war er dazu.

Die Bauern im Eifeldorf wußten, daß der Spruch vom „armen Köhler“ nicht stimmte. Und beim Siebenströmspiel in der Dorrwirtschaft meinte der Kuhhin: „Da Mattes hat mih op de huhe Kant leijen als de Säushändler.“

Gigelyra und Maultrommel

Nirgendwo kann man besser Geheimnisse hüten als in der Tiefe der großen Wälder. Qui-rin und der Köhlerknecht fanden am Rande einer Dickung eine fast undurchdringliche Schwarzdornhecke, dahinter lag die kleine Lichtung. Ein On. wie geschaffen sich zu verbergen. Zufluchtsstätte vor den forschenden Augen des Köhlers, des Herrn und Meisters rauchender Meiler.

Hier baute der alte Wanderbursche dem Knaben mit geschickten Händen ein eigentümliches Instrument, eine Gigelyra oder Strohfidel, eine An urtümlichen Xylophons, wie er es einst im fernen Tirol kennenlernte. Das Instrument besaß die Form einer sich nach oben verjüngenden Leiter. Sechzehn trockene Tannenholzstäbchen befestigte Vinzenz auf einer Unterlage gedrehter Strohseile, sorgsam abgestimmt nach der Tonleiter. „Es ist wie bei einem Hackbrett“, erklärte er dem Knaben. „Die Stäbe schlägst du mit zwei Holzhämmerchen an: hör nur. der Klang ist ein wenig dumpf, aber zart in der großen Waldstille.“ Aus dem Alpenland brachte Vinzenz zwei Maultrommeln – er nannte sie Brummeisen – mit, eigentümlich geformte eiserne Gebilde, die man zwischen die Zähne nahm und durch Zupfen einer Metallzunge zum Schwingen brachte. Ihr Klang besaß etwas Urtümliches. Tonfolgen und Schwingungen waren geheimnisvoll und bewegten sich, vermischt mit dem Brausen der großen Waldorgel vom Forte bis hin zu hauchzarten Tönen.

Quirin lernte rasch beide Instrumente zu benutzen, beherrschte bald ihre Eigenarten, spielte, während er flink mit dem Hämmerchen die Klangstäbe der Strohfidel an schlug, begleitend auf der Maultrommel. Er spielte die Weisen alter, schwermütiger Lieder, die ihm die Mutter vorsang und eigenartige, fremde Melodien, die er selbst erdachte.

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Doch der Zauber in der Abgeschiedenheit des Waldes hielt nur an. bis die rauhe Stimme des Köhlers jäh den Bann brach. Dann steckten die beiden die Maultrommeln ein, Vinzenz rannte zu den Meilern, raffte Spaltholz zusammen während ihn sein Meister mißtrauisch beäugte. Wenn Köhlermattes mit seinem hochbeladenen Fuhrwerk unterwegs war, begannen Stunden und Tage befreiten Aufat-mens. Wie vom Erdboden war er verschwunden, der gestrenge Beherrscher der Kohlenmeiler.

Dem Knaben kam es vor, als wehe plötzlich eine andere Luft, ein Hauch von Freiheit, eine Zeit ohne stete Überwachung, ohne strenge Befehle, denen sich niemand zu widersetzen wagte.

Doppelt eifrig schaffte der Knecht an den Meilern, sang fremde tirolische Lieder, schichtete Buchenscheite: flinker gebrauchte er die schwere Axt.

An langen Abenden saßen die drei, Mutter. Knecht und das Kind vor dem flackernden Herdfeuer, das eine geborstene Takenplatte zu gespenstischem Leben erweckte. Gebannt blickte der Knabe auf die in Eisen gegossene Scene-rie: der kleine Hirtenjunge David hielt das bärtige Haupt des Riesen Goliath hoch emporgehoben in seiner Rechten, umgeben von einer Schar lanzenbewehrter Krieger.

Die Mutter erzählte Eifler Geschichten und Sagen von Riesen, Gnomen. Hexen und Zauberern, von hartherzigen Rittern, versunkenen Schlössern und von der Burgmine, deren Trümmer wie Schwurfinger in der Ferne hinter dem Tannenwald aufragten. Draußen heulte der Herbststurm ums Haus. Läden klapperten, unruhig zerrten die Kühe an der Kette. Ganz nahe, dicht vor dem Stubenfensterchen, ertönte der klagende Ruf eines Käuzchens.

„Dat bedütt nix Joodes, ihr Leut“, sagte der Knecht und bekreuzigte sich. „Frau. maacht en Kerz an“, flüsterte er, der sonst nicht abergläubig war.

Die Vaganten sind da

Seltsame Dinge ereigneten sich in der Stille der Wälder, in der Abgeschiedenheit der Vulkaneifel.

Im Dorf herrschte freudige Erregung bei jung und alt: ein Wanderzirkus war gekommen mit drei Wägelchen. Die Vaganten hatten sich in diese entlegene Gegend verirrt, eine Miniaturausgabe der Comme-dia dell‘ arte. Nur spärlich war die Menagerie: vier Pferdchen, ein zotteliger Braunbär, Äffchen, dressierte Tauben, die sprechende Ziege und in einem Gitterkäfig eine träge Boa Constrictor, die die Dorfleute das Gruseln lehrte.

Quirin durfte ins Dorf, sah zu, wie die Zirkusleute ein wackeliges Zelt aufrichteten: auf seiner Spitze flartene eine blaue Fahne mit gelbem Drachen. Ganz hingerissen war der Köhlerssohn als er hone, wie kunstvoll der Clown seine Trompete blasen konnte, wie er dem golden schimmernden Instrument scheinbar mühelos schmetternde Töne entlockte. Trotz Kopfschütteln und Gebrumm des Köhlers setzte die Mutter durch, daß sie mit Quirin die Zirkusvorstellung besuchen durfte.

Nur zögernd gab Mattes endlich seine Zustimmung. Es war, als ahnte er Bedrohliches, Unheil, etwas, das er mit Worten nicht auszudrücken vermochte. Es kam ihm vor, als stehe das Schicksal hinter den Föhrenstämmen bereit, zuzuschlagen und den Frieden im Köhlergehöft zu zerstören.

Für Quirin war der Abend im Wanderzirkus wie ein Wunder, ein Traum, von dem er nicht glauben konnte, daß all dies Wirklichkeit sei: die glitzernden Gewänder im Flackern der Azethylenlam-pen, die Klänge der Musik, das Gehüpfe eines dicken Harlekins und die zierliche Tänzerin Colombine.

Wie eine Feder, leicht und schwerelos blancierte sie auf ausgespanntem Seil über die Manege.

Quirin war verzaubert, hatte nicht Augen genug, konnte sein Blicke nicht von den Akteuren der Vorstellung, von Licht und Paillettengeglitzer wenden.

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„Da Jong wor wie verhext“. sagte der Knecht später, „ich wußt. dattjet Schlemmes passiere dät, dat Käuzje hat Recht behaale!“

Ja, der Knabe war verzaubert, verhext von dem Augenblick an. wo ein dürrer Mann mit stockfleckigem Zylinderhut, zur Geige griff und dem verehrten Publikum eine Melodie vortrug, zu der die Seiltänzerin ein italienisches Lied sang. In Quirins Seele vermischten sich Lichter und Glitzerwelt, Colombine, Boa Constrictor, die sprechende Ziege und die wundersamen Geigenklänge zu einer einzigen Melodie, zu einem Wunsch, der zum unwiderstehlichen Entschluß wurde. „Da will ich hin“, flüsterte er, „da geh ich morgen mit. Trompete will ich blasen, spielen lernen auf der wundersamen Geige. Fön will ich von den Kohlenmeilern und den dunklen Wäldern, fort mit dem Zirkus in die unbekannte Ferne …“

Drei Tage später zogen die Gaukler weiter und es ereignete sich das Unfaßbare: mit ihnen zog heimlich Quirin fort: spurlos war er verschwunden. niemand wußte wohin.

Einsam

Still war es geworden im Haus des Köhlers; Mattes und seine Frau empfanden die Einsamkeit jeder aufseine Weise. Der Köhler hatte niemanden mehr, den er herumkommandieren konnte, denn auch der Knecht hatte kurz nach Quirins Verschwinden Meiler und Gehöft verlassen.

Die langen Wachen an den Meilern mußte Mattes nun selbst übernehmen. In schlaflosen Nächten quälten ihn viele Erinnerungen, er begann zu grübeln und zu zweifeln. Selbstbezichtigungen nahmen zu, Vorwürfe häuften sich, Pein und ein Zustand inneren Aufgewühltseins straften den Spruch, die Zeit heile alle Wunden.Lügen.

Die Zeit verging, Jahre verwehten wie Herbstlaub – von Quirin kein Spur, keine Nachricht. Schweigsamer wurde der Köhler, griff öfter heimlich in der Remise zum Selbstgebrannten. Verdruß und Verschlossenheit nahmen zu.

Bäb trug ihren Kummer in stiller Ergebenheit, in lautloser Klage und in steter Hoffnung, endlich ein Lebenszei-chn des Verlorenen zu erhalten.

Trotz der räumlichen Nähe brachte keines der beiden es fertig, für den ändern ein tröstendes Won zu finden. Jeder trug den Stachel der Trennung. Verlust und quälende Ungewißheit für sich selbst. ohne einen Ausweg zu suchen. der die Last des Ertra-genmüssens gelinden hätte. An Sonntagen, wenn Mattes in der Winschaft stumm seine Kännchen Klaren trank, betete Bäb stundenlang beim Kerzenlicht am Seitenaltar der Dorfkirche und fand hier den Trost, den der Köhler ihr nicht geben konnte.

Daheim aber kehncn die quälenden Bilder wieder. Sie sah Quirin bei den Vorstellungen im schäbigen Zirkuszelt. Er stand auf einem bemalten Podest, hüpfte in die Manege. schnitt im Narrenkostüm Grimassen und spielte auf der Trompete. Inständig hoffte sie. daß ihn eines Tages die Reue plagte im Jammerdasein bei den Gauklern, daß er zur Einsicht käme und zurückkehre ins Köhlerhaus wie einst der verlorene Sohn in der Bibel. Sie erinnene sich an die Schrift, die Worte des Vaters:

„Holt das Mastkalb und schlachtet es, wir wollen essen und fröhlich sein“ und weiter, „denn dieser, mein Sohn, war verloren und ist wiedergefunden worden …“

Jahre gingen ins Land. Erloschen waren die rauchenden Kohlenmeiler. Den Köhlermattes traf eines Tages ein Herzschlag. Die Bäb war allein, hauste schlecht und recht im Gehöft, besorgte immer noch Vieh und Äckerchen.

Doch, was auch geschehen mochte, nie gab sie die Hoffnung auf, daß der verlorene Sohn eines Tages an die Türe klopfte, um Verzeihung bat und sie in seine Arme schließen würde.

Alles kam anders, als es sich die Bäb vorgestellt hatte. Eines Tages brachte der Postbote ein Päckchen – der Absender war Quirin. Zitternd vor Ungeduld öffnete Bäb die Verschnürung und hielt ein Bild, eine Photographie ihres Sohnes in den Händen. Im Frack stand er vor einer Schar von Musikern. In ihren Händen hielten sie Instrumente und blickten erwartungsvoll auf Quirin. ihren Dirigenten.

In einem langen Brief schilderte der Sohn seine Wanderjahre. sein Musikstudium, das ihm ein reicher Mäzen ermöglichte, seine Reisen durch die weite Welt.

Geld lag dem Schreiben bei und die Einladung zu einem Konzert, das in der Domstadt am Rhein stattfand. Bäb zögerte nicht. Ihr Viehzeug brachte sie im Dorf bei einem Vetter unter und reiste mit Postkutsche und Eisenbahn zum großen Ereignis ihres Lebens.

Beim Wiedersehen lagen die geheimnisvollen Strömungen der Gefühle dicht beieinander, Not. Sehnsucht und Hoffnung und nun in endlicher Umarmung überwältigende Freude. Auf dem Logenplatz des Konzertsaales fühlte sich Bäb bei den Klängen der Beethoven-schen Fidelioouvertüre emporgehoben in die Bereiche eines vollkommenen Glückes.

Epilog

Die Kunde vom Ruhm des Köhlersohnes als Dirigent eines großen Orchesters war bis in die Abgelegenheit des Eifeldorfes gedrungen und diese Neuigkeit bot Stoff für viele Fragen, Vermutungen und Geschichtchen in den Stuben der Bauern.

Böckersch Hubert, der Dorfphilosoph, meinte: Jo. ech han dat at ömmer jewust. en dem Quirin steckt Jet janz Besonderes. Überhaupt, he bei uns en de arme Eifel ös at mancher Doktor un Jeliehrte henerem Plooch herjejange!“ Seine Siebenströmfreunde im engen Tresierhüsje nickten bedächtig: sie waren stolz auf den Sohn ihres Dorfes, der in der Welt ein bekannter Mann geworden war.

Draußen brauste der Westwind, trieb Wolkenschiffe über Bergkegel. Eifelwälder und das Ahrtal.

Jahre waren vergangen. Wie ein dunkler, grüner Kranz umschloß der Wald das zerfallene Gehöft des Köhlermattes. Aus dem Fichtendickicht hörte man die dumpfen Rufe der Wildtauben. Dort. wo einst die Kohlenmeiler rauchten, waren kreisrunde, geschwärzte Flächen geblieben, bedeckt von Erde und Asche. Unweit dieser Stelle fand man bei Ausgrabungen in der Nähe der Römerstraße das Grabmal eines römischen Ceniurio, das eine seltsame Inschrift trug:

Bedenke wie die fliehenden
Schatten
uns unsere Stunden weisen
die Schalten beherrschen das
Dunkel
nichts sind wir
nur Staub und Schatten.