Der Mord im Maurensieffen bei Wershofen

1731 – im fernen Preußen führte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm l. (1713-1740) ein strenges Regiment – im Arenberger Land regierte Herzog Leopold [1691 -1754), der sich als Souverän aber nur selten in der Eifel authielt. Er lebte meist in seinen Schlössern in Brüssel oder Enghien. Als kommandierender General und seit 1737 als Feldmarschall stand er zeitweise im Dienste des römisch-deutschen Kaisers. Eine enge Freundschaft verband ihn mit Prinz Eugen von Savoyen, mit dem er längere Zeit in den Türkenkriegen gekämpft hatte. Ein Ereignis des Jahres 1731 wirft ein Licht auf die sozialen Zustände im kleinen Arenberger Land: Im Januar dieses Jahres fand ein Hirte in den Maurensieffen bei Wershofen im Herzogtum Arenberg eine männliche Leiche. An der Kleidung war unschwer zu erkennen, daß es sich um einen preußischen Soldaten handelte. Wie der Mann in die Eifel gekommen war und was ihn vor allem in die Nähe von Wershofen geführt hatte, blieb zunächst unklar.

Aber schon kurze Zeit später klärte sich der Fall überraschend schnell auf. Johann Emmerich, ein 24 Jahre alter „Geißenhirt aus Werschoven“. wurde der Tat verdächtigt und angeklagt. Am 4. Mai und erneut am 26. Mai 1731 bekannte er den Mord. und dies „außer aller peinlicher frag“. Eine Folter war also nicht notwendig gewesen, wahrscheinlich waren die Indizien so erdrückend. daß ein Leugnen zwecklos erschien.

Aus den erhaltenen Gerichtsprotokollen kennen wir ziemlich genau den Hergang der Tat. Im Winter 1730/31 hatte Emmerich sich am Niederrhein aufgehalten. Als Hirt fand er ohnehin in den Wintermonaten keine Verdienstmöglichkeit in der Eifel, er suchte sein Auskommen weit weg von seinem Heimatort. In Geldern lernte er einen preußischen Soldaten kennen, der dort in der Garnison Dienst rat. Dieser erzählte ihm. daß sein König Friedrich Wilhelm im fernen Potsdam dringend „große leuth“ für eine besondere Truppe suche. Für solche „lange kerls“ sei er auch bereit, einen schönen Batzen Geld zu zahlen. Was der Soldat da berichtete, ist uns heute bekannt: Der Preußenkönig suchte für seine Garde Männer, die 1,90-2,00 m groß waren. Um solche Männer zu finden, sandte er eigens Werber durch ganz Deutschland.

Johann Emmerich aus Wershofen berichtete dem preußischen Soldaten, daß er in der Eifel „oben Munstereiffel große kerl“ kenne und daß er ihn gerne zu einigen hochgewachsenen Männern führe. Beide wurden schließlich einig: Emmerich sollte den Soldaten ins Arenberger Land mitnehmen, „umb große leuth ime in der Eiffel anzuschaffen“.

Der Werber bekam von seinem Offizier einen Geldbetrag ausgehändigt, um den angeworbenen jungen Männern das erforderliche „Handgeld“ auszahlen zu können. – Dann begann ein mühsamer Fußmarsch, denn der Weg von Geldern in die Eifel mußte zu Fuß zurückgelegt werden.

Emmerich und sein Begleiter scheinen sich auf dem Weg ein wenig angefreundet zu haben. Jedenfalls hatte der Soldat nichts dagegen, daß der Eifelbursche ihm auch streckenweise das Gewehr trug. Immer näher aber rückte für Emmerich die Heimat, und vermutlich zerbrach er sich den Kopf. wo wohl ein etwa 2 m großer .junger Mann sei. der das erforderliche Gardemaß hatte und der auch bereit war, im fernen Preußen einem Ungewissen Schicksal entgegenzugehen. War es nun reine Habgier oder waren es Gewissensbisse, weil er den Werber vielleicht enttäuschen mußte? Die Quellen sagen dazu nichts. Johann Emmerich auf jeden Fall faßte, kurz vor seinem Heimatort, einen teuflischen Plan. Als er wieder einmal eine Strecke des Weges das Gewehr des Soldaten tragen mußte und als er hinler ihm herschritt, legte er an und erschoß seinen Begleiter aus nächster Nähe. Der Soldat war sofort tot: Emmerich raubte ihm das Geld. eine silberne Schnupftabakdose und ein Messer, außerdem nahm er sich einige Kleidungsstücke, ließ den Toten zurück und ging die wenigen Kilometer bis zu seinem Heimatort allein weiter.

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Dorfstraße in Wershofen, um 1930.

Johann Emmerich aber geriet bald schon durch die bei ihm gefundenen Gegenstände in Verdacht. Vor allem Kleidungsstücke, die Emmerich besaß, konnte man mit dem Toten in Verbindung bringen. Der Beschuldigte wurde im Turm der Arenburg inhaftiert. angeklagt und bekannte offen die Tat. Es ist auffallend, daß er noch nicht einmal den Namen des Ermordeten nennen konnte. Die Richter machten sich offenbar auch keine große Mühe, den Namen festzustellen. Nachdem die Schuldfrage geklärt war, erging das Urteil: Tod durch Hinrichtung am Galgen.

Die Hinrichtung fand am 16. Juli 1731 statt. Die Scharfrichter gingen, nachdem sie ihr grausames Handwerk ausgeübt hatten und nachdem der Mörder am Galgen hing. in die Dorfschenke in Aremberg und ließen sich dort – wie es wohl üblich war – bewirten. Den Wirt Anton Schmitz aber bezahlten sie nicht. Dieser klagte im Oktober 1731 auf der Burg, daß er immer noch auf die Begleichung der Rechnung warte: „Alß Johannes Emmerich von Werschoven gericht ist worden, haben die Schärffrichter bey mir Anthon Schmitz von Arenberger Thall verzehrt 2 Gulden und 6 Albus und haben zur antwortt geben, es solle in der Renthmeisterei zahlt werden.“

Quelle:

Herzogliches Arenbergisches Archiv Enghien, Akte D 2777 b.