Archive – Fundgruben zur Gschichte des Kreises Ahrweiler – Das Historische Archiv des Erzbistums Köln

Wer sich – aus welchen Motiven auch immer – mit der Vergangenheit befasst, der kann auf eine Vielzahl von Berichten, Publikationen und Forschungsergebnissen zurückgreifen. Trotzdem wird er immer wieder feststellen, dass er mit seinen Fragen bald an Grenzen stößt; sei es, dass Veröffentlichungen die gewünschten Fakten nicht enthalten, dass die Verlässlichkeit der Angaben vage bleibt, weil die Fundstellen nicht genannt sind, dass man die Deutungen des Autors aus den Quellen überprüfen möchte oder dass bestimmte Fragen an die Geschichte so noch gar nicht gestellt wurden. Zwar wird letztlich mit der Zeit das kollektive Wissen um die kleinen Details wie die größeren Zusammenhänge unserer Historie tiefer, aber die Art der Fragestellungen ist schier unerschöpflich, sieht doch jede Zeit die Geschichte mit ihren eigenen Augen und verarbeitet jede Forschungsdiziplin historische Fakten in jeweils eigenem Zusammenhang und mit unterschiedlicher Methodik.

Egal ob sich der Forscher in der Rückschau z.B. mit einzelnen Menschen oder Familien, mit der Region, den Städten bzw. Orten, mit der Kirche, mit besonderen Lebensbereichen wie Wirtschaft oder Technik, Medizin oder Kunst, Recht oder Bildung, mit den tieferen sozialen Zusammenhängen, den damaligen Lebensformen oder der Gedanken- und Glaubenswelt befasst, früher oder später ist der „Fragesteller“ an dem Punkt angelangt, an dem nur noch die Primärinformation, das authentische, zeitgenössische Material – etwa Urkunden, Amtsbücher, Akten, Bild- oder Tonquellen – weiterhilft. An diesem Punkt besteht, ehe die eigentliche Quellenarbeit beginnen kann, ein schwieriges Problem: Es gilt nämlich herauszufinden, wo sich heute die Originalunterlagen zur jeweiligen Frage befinden oder befinden könnten, so sie denn die Zeiten überdauert haben.

Als Anlaufstelle dienen dann in aller Regel die Archive, v.a. von Staat, Kommunen, Kirchen, Firmen oder Familien. Hier trifft der Forscher auf eine enorme Masse von wertvollen Originalquellen seit dem Mittelalter, darunter auch Materialien, ja sogar ganze Archive von längst untergegangenen Institutionen. Insbesondere in Bezug auf die Frage, wo sich das Gesuchte befindet, scheint dieses Dickicht an Materialien für den Normalbürger manchmal zum Verzweifeln. Es ist eben nur bedingt nachvollziehbar, wo „anno dazumal“ Quellen über eine Region wie den Kreis Ahrweiler entstanden sind, wo sie heute liegen und wohin im Laufe der Zeit die in der Region selber entstandenen Pergamente und Papiere gelangt sein können. Der Blick über die modernen Grenzen hinweg ist für den historisch Forschenden in jedem Fall zwingend.

Das gilt besonders für die Erforschung kirchlicher Quellen der Zeit bis 1821/25, weil damals das Kreisgebiet – außer dem Raum Brohl-Niederzissen-Wehr-Weibern – zum Erzbistum Köln und seit 1801 zum Bistum Aachen gehörte. Die kirchliche Überlieferung beider Bistümer befindet sich heute im Historischen Archiv des Erzbistums Köln (Adresse: Gereonstr. 2-4, 50670 Köln), und zwar in den wertvollen Altbeständen. Selbst die mehr ortsbezogenen Unterlagen zu Pfarreien im Rhein-Ahrraum und der hohen Eifel hat man bei der Wiedererrichtung des – räumlich verkleinerten – Erzbistums Köln nicht alle der nun zuständigen Bistumsverwaltung in Trier übergeben. Der Rechtsnachfolger erhielt um 1825 zumeist nur die Unterlagen der letzten Jahrzehnte (nach rund 1760/80). So finden sich in Köln heute in vielen Beständen (z.B. „Generalvikariatsprotokolle“, „Erzbistum“, „Christianitäten“, „Bistum Aachen“) kirchliche Unterlagen zum Kreisgebiet, im Bestand „Bistum Aachen“ darüber hinaus entsprechend seiner großen Ausbreitung nach Süden hin auch für Orte südlich des Vinxtbaches.

Als herausragende Beispiele seien die Visitationsprotokolle genannt. In ihnen spiegelt sich im Raster der Fragen weit mehr als kirchliches Lebens im engeren Sinne; wir erfahren darüber hinaus auch etwas über Beachtung der Sonntagsruhe, über Aberglauben, Vorkommen von Menschen anderer Konfession, über Juden, Wirken von Hebammen, über Schulen, über Wallfahrten, über die Baugeschichte und künstlerische Ausstattung der Kirchen und Kapellen oder über Ausbildung und Lebensweise der Pastöre. Die (Oster-) Kommunikantenzahlen erlauben Schlüsse auf die Entwicklung der Einwohnerzahl in einer Zeit, in der es noch keine staatliche Bevölkerungsstatistik gab. So vermerkte man 1730 für die Pfarrei Ahrweiler 1000, für ein Dorf wie Hönningen 200, jedoch für Kesseling mit seinem großen Einzugsgebiet ca. 850 Kommunikanten. Unter den kirchlichen Amtsbüchern sei die „Descriptio pastoratorum“ erwähnt. Darin werden alle Pfarreien aufgelistet. Wir erfahren z.B., wer die Präsentation des Pfarrers ausübte, wieviel Altäre und Kommunikanten es gab. So verfügten z.B. 1730 die Pfarrkirchen in Oberwinter und Remagen über 3, die in Ahrweiler aber über 7 Altäre; zudem gab es in Ahrweiler 4 Vikarien, von denen eine hinsichtlich der Stellenbesetzung in Händen der Familie Develich lag. Die Quellen bergen vielfältige Unterlagen zu Dispensen (z.B. Ehehindernissen), Stellenbesetzungen, Weihen, Finanz- und Vermögensfragen. Von 1753 findet sich z.B. ein Vertrag vor dem Schöffengericht Ahrweiler, in dem die Familie Schefer Einkünfte in Esch (Pfarrei Holzheim) übergibt, um dem Sohn mangels verfügbarem Benefizium den Erhalt einer geistlichen Stelle zu ermöglichen. Im Bestand „Assindia“ des Offizialates Essen gibt es einige Akten zu Ober- und Niederbreisig im 18. Jahrhundert, etwa eine Urkunde zur Pfarrerrichtung von Niederbreisig 1786 und Schriftstücke zu Streitigkeiten des Breisiger Amtmannes von Meurers mit dem Pfarrer Daheim und mit einem Düsseldorfer Hofuhrmacher 1789, dabei auch Privatbriefe des Amtmanns. Manchmal wird auch die persönlich-menschliche Ebene inmitten der amtlich-trockenen Materie fühlbar. So im Fall jenes Pfarrers von Beul (heute Bad Neuenahr) der den visitierenden Dechanten 1707 nicht ordnungsgemäß am Kirchentor empfing, sondern über den seiner Aussage nach unangemeldeten Kontroll-Besuch nicht nur ungehalten regierte, sondern die Vorgesetzten – so deren Eindruck – beleidigend und verleumderisch anging, dabei mit Kraftausdrücken wie „Ihr Kerls“ nicht sparte und sogar handgreiflich geworden sei. Leider kennen wir den Vorgang nur aus der Perspektive der Behörde; wie sah die Sicht des Pfarrers aus?

Auch die weltliche Verwaltung des Kölner Kurstaats, deren Unterlagen ansonsten in den Staatsarchiven liegen, hat einige Spuren im Historischen Archiv des Erzbistums hinterlassen. So gibt es etwa ein Steuerverzeichnis aus Jahr 1670, in dem Adelige mit ihren genau aufgelisteten Gütern in den Ämtern Nürburg und Altenahr erfasst sind, etwa die von Harff zu Trimborn, Walpott von Bassenheim, Quadt zu Kreuzberg oder die Herren von Blankart.

Vom Altenahrer Pfarrer 1743 ausgefüllter Visitationsfragebogen. In den ersten von über 100 Fragen geht es um folgende Gegenstände: 1. Titel und Patron der Kirche, 2. Patrozinientag, 3. Konsekration mit Datum und Konsektrator, 4. jährlicher Kirchweihtag, 5. Zustand des Gebäudes

Unterlagen über die Besitzungen und Einkünfte der stadtkölnischen Stifte und Klöster an Rhein und Ahr finden sich vereinzelt in den entsprechenden Kölner Pfarrarchiven, in deren Besitz diese Materialien bei der Säkularisation übergegangen sind, so Urkunden (z.B. des Stifts St. Gereon bzgl. Güter zu Ahrweiler, 1292) oder Akten (u.a. des Stifts St. Kunibert über Besitz in Remagen, 18. Jh.).

Liste (Ausschnitt) der Einküfnte der Vikarie und Bruderschaft in Ahrweiler aus dem frühen 17. Jahrhundert mit Namen der Zahlungspflichtigen.

Amtliche, moderne Bestände der Erzbischöflichen Verwaltung seit 1825 weisen zwar Bezüge zum für den Kreis Ahrweiler zuständigen Bistum Trier sowie zur überdiözesanen Ebene der Bischofskonferenzen – Kölner Erzbischöfe waren oft Vorsitzende der Bischofskonferenzen -, weniger aber zum Kreisgebiet direkt auf. Es gibt indes Ausnahmen. So hat man beim Erzbistum Köln nach 1945 die Rechtspraxis der sog. „Napoléonischen Staatsgehälter“ für Pastöre im Linksrheinischen minuziös dokumentiert. Die Akten enthalten zahlreiche Listen und Materialien zu Pfarreien der gesamten Rheinprovinz. Ferner gibt es Muster- und Grundsatzunterlagen zur Pfarrerbesoldung durch Kommunen. So hat sich auch ein Vorgang über die Pfarrei Sinzig, über deren Regelung mit der Stadt und dem Dorf Koisdorf von 1872 sowie einen entsprechenden Entscheid des Landgerichts in Koblenz 1937 zugunsten der Pfarrei enthalten. In anderen Generalvikariatsakten findet sich eine Warnung der Sinziger Schulbrüder (Maristen) vor einem mehrfach vorbestraften Betrüger, der 1927 Bücher angeblich zugunsten ihres Klosters und Knabenpensionats vertrieb.

Ein Kuriosum bilden zwei kleine Ortschaften des Kreises, weil sie nämlich zu einer Pfarrkirche gehören, die im Erzbistum Köln liegt; Kreis- bzw. Landesgrenze und Bistumsgrenze weichen hier voneinander ab. Zu Kalenborn (Pfarrei Hilberath) und Rolandswerth (Pfarrei Mehlem, mit Ausnahme der Jahre 1804-40) muß der Forscher für alle Fragen des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Verwaltung nach Köln anstatt nach Trier reisen; für Hilberath befinden sich auch die Kirchenbücher in Köln.

In Köln archivierte bzw. deponierte Archive von kirchlichen Einrichtungen, Vereinen, Verbänden, Orden usw., seien es regional wirkende, erzbischöfliche oder gar bundesweit ausgerichtete, können direkt oder indirekt Informationen zum Kreisgebiet enthalten, etwa wenn dort Mitglieder lebten, Veranstaltungen abgehalten wurden oder die Wirksamkeit generell oder in Form einzelner Aktionen das Kreisgebiet betrafen. Es seien hier nur die Archivbestände des Katholischen Büros Bonn (seit 1950) als Verbindungsstelle der deutschen Bischöfe zur Bundesregierung und -politik hervorgehoben. Die große Politik im Nachkriegsdeutschland, in Parlamentarischem Rat und „Bonner Republik“ bis 1990 spiegelt sich hier in wichtigen Sachfragen, z.B. der Erarbeitung des Grundgesetzes, der Familienrechtsreform der fünfziger Jahre, der Frage zu Geltung des Reichskonkordats oder zum Paragraphen 218.

Ganz unerwartete Funde sind immer wieder in Nachlässen möglich, je nach Beruf, Interessen und Bekanntenkreis der jeweiligen Personen. Im Nachlass des Domkapitulars Lenné – ein Verwandter des berühmten Generalgartendirektors – fanden sich bei der Verzeichnung Familienpapiere mit Bezügen zur Gegend an Rhein und Ahr, wo sein Großvater als Direktor der A.G. Bad Neuenahr tätig war, wo sich seine Eltern 1870 verliebt hatten und sein dienstlich weltweitgereister Vater später im Ruhestand – in Remagen – die Annehmlichkeiten einer größeren Stadt schmerzlich vermißte. Von größerem Interesse für die Region ist der Nachlass des späteren Landgerichtspräsidenten Wurzer, dessen detaillierte Dienste an der Ahr – v.a. in Altenahr und Adenau – für den Kölner Kurfürsten im Krieg von 1794 gegen Frankreich im Heimatjahrbuch 1996 skizziert worden sind.

Archivische Sammlungen entziehen sich vom Inhalt her jeder generalisierenden Aussage. Archive sammeln je nach inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und Konzeptionen zwecks Ergänzung der amtlichen Überlieferung. Das Historische Archiv des Erzbistums Köln zeichnet sich besonders durch mehrere in Qualität und Quantität sehr beachtliche Siegelsammlungen aus (u.a. Siegelsammlungen Beissel und Ewald). Sie enthalten zahlreiche Siegel siegelführender Personen und Institutionen auch aus dem Gebiet des Kreises Ahrweiler, z.B. von Städten und Adeligen, ferner wertvolles Informationsmaterial zu Siegeln und Siegelkunde.
Archive bemühen sich seit langem, die Informationen über ihre Bestände nach außen hin mitzuteilen, neuerdings auch über das Internet. Die beste Form ist eine umfassende, jeden Einzelbestand charakterisierende und beschreibende Beständeübersicht, die einen Eindruck vermittelt, in welchen Unterlagen mutmaßlich für die Fragestellung Ergiebiges zu finden ist. Das Historische Archiv des Erzbistums hat nun in der Reihe „Studien zur Kölner Kirchengeschichte“ – Band 31 – ein solches umfangreiches Hilfsmittel herausgebracht: „Das Historische Archiv des Erzbistums Köln. Übersicht über seine Geschichte, Aufgaben und Bestände (Verlag Schmitt, Siegburg 1998)“. Zusätzlich informiert in vorläufig knapper Form eine Darstellung im Internet über das Archiv und die Bestände, und zwar im Verbund mit der Gesamtheit der Archive in Nordrhein-Westfalen (Internet-adresse der Archive in NRW und des hier erwähnten Archivs: http://www.archive.nrw.de beziehungsweise http://www.archive.nrw.de/home.asp?ebta-koeln), wobei die Suchmöglichkeiten in den Beständen ganz unterschiedlicher Archive bei der Informationsermittlung sehr nützlich sind.

Archive, nicht zuletzt kirchliche, sind Stätten der Überlieferungsbildung für die Zukunft, der Sicherung von Quellen und der Förderung der historischen Forschung. In der Vielfalt der Fragestellungen – im kritischen Hinterfragen, horizontalen oder vertikalen Vergleichen, in interdisziplinären Arbeiten und neuen methodischen Ideen – liegt immer wieder eine große Chance zur Bereicherung des Wissens um das Gewesene, aus welchem Traditionen und Identitäten leben, aus dem wir Erfahrungen schöpfen und z. T. auch neue Perspektiven gestalten können. Es ist an jedem Interessierten, die vorhandenen Wege zu nutzen.