Wie vor 70 Jahren in Bad Neuenahr ein Panzerkreuzer gebaut wurde

„Wir bitten den jeneigten Leser uns zu jestatten, dass wir an den jeeigneten Stellen das hochdeutsche ,g’ durch das rheinische ,j’ ersetzen. Dadurch, so glauben wir, jewinnt die Jeschichte.“ 

Fred Braun 

„Ha, zum Leichtmatrosen hann se mich jemacht! Ich war ja schon damals so klein wie heut´. Und dann hann me´ne Panzerkreuzer auf Helling jelaat, Junge, dat war wat!“ — „Ne Panzerkreuzer? Wo das?“ – „Na, auf der Kegelbahn beim Hersels Caspar in der „Weinrebe“, in Hemmessen. Vier Tische in ein Reih´, und da hat´die janze Schiffsbesatzung dahinter Platz. Und der Witsche Pitter hat vom Sägewerk Schäfer an der Sebastianstraße passend Holzplatten besorgt, die hängten wir vorne an die Tischkanten und schon war die Bordwand vom Panzerkreuzer fertig. Und malen konnte der Pitter aus der Ahrstraß´-der hatt´im Null-Komma-Nix ein stolzes Schiff dahin gezaubert, ich sage Euch, da hat man den Schaum richtig spritzen jesehn! Aber dann brauchten wir ja en passenden Namen, und da kam dann die Idee mit „Panzerkreuzer Backes-Flappes.“ — „?“ —„Wat dat ist? Also, hier in Hemmessen, gleich um die Ecke in der Karlstraß´, wat heut die Uhlandstraße ist, hinterm Hemmesssene Dom sozusagen, da stand ja am Teich unser Backes. Der Jiebel ist übrijens heut noch da! Und wenn da gebacken wurd´ und die Reiser waren abgebrannt, dann wurde zuerst mal mit ´nem eisernen Schaber das glühende und verkohlte Reisig in ´ne Zinkbütt jekratzt. Und dann musste mit dem Backes-Flappes der Backofen so sauber je´flappt´ werden, dass im Brot möglichst keine Holzasche mit einjebacken wurd. Der Flappes, das war eine stabile Bohnenstange, so zwei Meter, mit ´ner kräftigen Klammer oben, und da war dann ein grober, großer Putzlappen dran. Und der wurde gleich neben dem Backes im Teich tüchtig jezoppt, und mit dem nassen Feudel konnt´ man dann den Backofen auskehren und zwischendurch immer neu im Teich nass machen, dass der nicht versengte. Ja, und das Schönste – der Backes-Flappes war dann auch in einem unsere Admiralitäts-Standarte, die kam mit auf den Panzerkreuzer. Ich kann Euch sagen, wenn wir elf Seemänner mit der Standarte auf unserem Schiff thronten -das war schon ein Bild! Und dann hieß es: „Me brauchen jo noch Uniforme!“ Da hatten wir natürlich kein Geld für, und dann kam die Idee: es hat ja jeder ´ne schwarze Anzug, da nähen uns die Frauen ´ne tolle Biese um die Revers und dann ist die Uniform komplett. Also wurde jemessen, und für jedes Jackett brauchten wir so anderthalb Meter, und einer jing dann zum Weinsheimers Pitter in der Poststraße und kaufte zwanzig Meter Büstenhalter-Trägerband!“ — „Wofür braucht Ihr zwanzig Meter Büstenhalter-Trägerband??“—„Damit machen wir unsere Uniformen als Hemmessene Deichmarine parat! – Ja, und das hat wunderbar jeklappt, wir waren ´ne staatse Schiffsbesatzung – und meine Wenigkeit ganz links als Leichtmatrose! Doch dann merkten wir, ohne richtige Kopfbedeckung geht das nicht. Drum wurde ein Soldaten-Käppi, „ein Schiffchen“, besorgt, dazu blauer und weißer Stoff -„und wer soll dat alles schneiden und nähen?“ Da hat die heilige Klara unsere Not erhört, die Nönnche im Klarissenkloster an der Karlstraße haben sich an die Arbeit jemacht: ein Schiffchen auseinander jetrennt, Stoff zujeschnitten und uns unsere Seemannsmützen jenäht und sogar bestickt! Ja, und dann lief unser Panzerkreuzer „Backes-Flappes“ vom Stapel, das war so um 1934, und hatte die erste Schlacht zu bestehen im Saal von der Weinrebe. Und plötzlich mussten wir auch Orden verteilen – und wir hatten ja gar keine -und kaufen kam nicht in Frage! 

Damals hatte der Zerwas in der Kreuzstraße schon ein Sarggeschäft, und der hatte für die Sargdeckel-Verschlüsse janz dolle Deko-Bleche, und die hat der uns billig jelassen, und die haben wir dann selbst bemalt – die Orden waren begehrt wie nur was! Später, bei anderen Kampanjen, wenn dann et Kündchens Klöör an Bord kam oder de Polligs Will, dann gingen die Wogen hoch, dat war Windstärke 12! Ja, und so ist die Hemmesser Deichmarine in See jestochen. Die Äquatortaufe im Teich für die Seemänner will ich nur kurz erwähnen – jedenfalls waren wir alle sturmerprobt. Die Hemmesser Deichmarine hat deshalb seit über siebzig Jahren jeden Sturm überstanden, und 2004 war sie wieder beim Karnevalszug in Bad Neuenahr am Fastnachtssonntag dabei!“ 

Mag der Leser, der uns bis hierhin gefolgt ist, nun schmunzeln und gar den kleinen Leichtmatrosen erkannt haben? Köbes Steinborn ist´s gewesen. So leben zur Geschichte die Geschichten.