10 Jahre Bonn-Berlin-Ausgleich 1994 – 2004

Ein Bundestagsbeschluss und seine Folgen 

Groß war der Schock in der Region Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler, als Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth am 20. Juni 1991 das Er-gebnis der Abstimmung des Deutschen Bundestages bekannt gab. Damals entschieden die Abgeordneten mit äußerst knapper Mehrheit, das Parlament und Kernbereiche der Regierungsfunktionen von Bonn nach Berlin zu verlagern. Zusammen mit der aufkeimenden Globalisierung war dieser folgenreiche Beschluss die Ausgangsbasis für einen grundlegenden Umbruch innerhalb der Wirtschaftsstruktur der Region. Diese hatte nun einen Verlust von per saldo rund 15.000 Arbeitsplätzen aus dem Bereich der Bundesbehörden sowie weiterer hauptstadtorientierter Einrichtungen (Diplomatische Corps, Verbände, Medien etc.) zu schultern. Auch in der privaten Wirtschaft mussten mittelbare Arbeitsplatzverluste aufgefangen werden. Vor allem das Handwerk im Kreis Ahrweiler profitierte bis zum Umzug von Parlament und Teilen der Regierungsfunktionen in besonderem Maße von den Aufträgen aus der Bundeshauptstadt. Nicht zu vergessen der Polit-Tourismus, der insbesondere im Ahrtal für reichlich Umsatz in der Gastronomie sorgte. Alles in allem galt im Kreis Ahrweiler mindestens ein Viertel der (damals) 46.000 Beschäftigten als vom Umzug betroffen. Am 26. April 1994 wurde das Berlin / Bonn-Gesetz verkündet, das der Region einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des Sitzes von Parlament und Regierung zusicherte und eine Konkretisierung in der Vereinbarung über die Ausgleichsmaßnahmen für die Region Bonn erfuhr. Hiernach stellt der Bund im Zeitraum bis 2004 Gesamtleistungen in Höhe von 2,81 Mrd. DM (1,436 Mrd. Euro) zur Verfügung, die sich in sechs Blöcke unterteilten: Wissenschaft, Kultur, Wirtschaftsstruktur, Verkehr, Soforthilfe und Grundstücke. Der Anteil für den kleinsten Partner, den Kreis Ahrweiler, beträgt rund 120,4 Millionen Euro. 

Fachhochschule RheinAhrCampus Remagen, 2004 

Die Krise als Chance verstanden 

Die Region Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler hat es mit den Chinesen gehalten, die für die Krise und die Chance das gleiche Schriftzeichen verwenden. Anstatt zu resignieren, haben die politisch Verantwortlichen die sich durch das Berlin / Bonn-Gesetz bietende Chance optimal genutzt. Mit Hilfe der Ausgleichsmittel haben sie eine grundlegende strukturelle Neuausrichtung auf den Weg gebracht. Die Region wurde auf neue, zum Teil innovative Standbeine gestellt. Sie hat dadurch ein neues zukunftsweisendes Profil erhalten. Dadurch konnten nicht nur die damals befürchteten Einbrüche zu einem großen Teil aufgefangen werden. Die hauptstadtgeprägte Region wurde in einen zukunftsorientierten Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort verwandelt. Im Kreis Ahrweiler wurden entscheidende Weichen für dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung gestellt. 

Die Ausgleichsprojekte im Kreis Ahrweiler 

Pünktlich zum Auslaufen der Fördermittel am 31.12.2004 sind im Kreis Ahrweiler – bis auf das Arp-Museum – alle Ausgleichsprojekte abgeschlossen, die Gelder fast vollständig abgeflossen. Zehn Jahre nach dem Abschluss der Ausgleichsvereinbarung (29. Juni 1994) fällt die Bilanz aus der Sicht des Kreises Ahrweiler positiv aus. Die Ausgleichsmittel sind gut angelegt worden: 

Bundesförderung in Mio. Euro 
RheinAhrCampus   94,6
Arp-Museum   14,3
Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) Sinzig    2,6
Tourismus & Service GmbH    1,2
Überregionale Vermarktung    0,3
Erwerb, Planung, Erschließung von Gewerbegebieten im Rahmen der „Soforthilfe“    5,2
Innovationspark Rheinland    2,2
 120,4

Im Folgenden werden vier dieser Ausgleichsprojekte näher beschrieben. 

RheinAhrCampus Remagen 

Die Fachhochschule in Remagen ist das Herzstück des Strukturwandels im Kreis Ahrweiler. Sie bildet den zentralen Kern für die künftige wirtschaftliche und technologische Entwicklung und ist Impulsgeber für die Gesundheits- und Fitnessregion. Inzwischen studieren hier weit über 1.600 junge Menschen in sieben innovativen Studiengängen (Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Logistik und E-Business, Sportmanagement, Lasertechnik, Medizintechnik und sportmedizinische Technik, Biomathematik, Wirtschaftsmathematik) sowie in einem weiterbildenden Fernstudienprogramm (Wirtschaftsingenieurswesen, MBA-Fernstudium, Bachelor of Arts in den Studienrichtungen Freizeitwirtschaft und Tourismus sowie Gesundheits- und Sozialwirtschaft). Das Spektrum dieser Studiengänge steht im Einklang mit dem Profil der Region, speziell in den Bereichen Gesundheit, Fitness und Tourismus. Der RheinAhrCampus arbeitet mit zahlreichen Partnern aus Wirtschaft und Tourismus der Region zusammen und ist durch sein vielseitiges Engagement bedeutender Kooperationspartner von öffentlichen Einrichtungen wie auch Wirtschaftsunternehmen. Erste Absolventen sind bereits in heimischen Unternehmen tätig. 

Innovationspark Rheinland in der Grafschaft 

Der Innovationspark Rheinland (IPR) in Grafschaft ist ein weiterer wichtiger Baustein, um den Landkreis Ahrweiler als High-Tech-Standort nach vorne zu bringen. Seit dem Frühjahr 2004 stehen 22 Hektar voll erschlossener Gewerbeflächen für die Ansiedlung technologie-orientierter Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Life Science (u. a. Medizintechnik), Umwelttechnik, Information- und Kommunikation-Technologie und Ingenieurtechnik zur Verfügung. Der Innovationspark verfügt über eine eigene Autobahnanbindung und ist verkehrsgünstig gelegen. Er ist eingebettet in eine hochverdichtete Wissenschaftslandschaft und ein wissenschaftlich-technologisches Umfeld von Weltgeltung (Bonn, Köln, Aachen). Die großen europäischen Märkte befinden sich in Reichweite. Mit der Ansiedlung von Unternehmen wurde ein professioneller Vermarkter beauftragt, der den Innovationspark Rheinland zusammen mit dem Innovations- und Gründerzentrum Sinzig im Rahmen eines Gesamtkonzeptes bewirbt. 

IGZ – Innovations- und Gründerzentrum Sinzig 

Ebenfalls im Frühjahr 2004 öffnete das IGZ -Innovations- und Gründerzentrum Sinzig seine Pforten für Existenzgründer, Jungunternehmer und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Pharmazie, Medizintechnik, Lebensmittelchemie und Kosmetik. Ihnen stehen im IGZ–Gebäude Laborräume mit hochwertiger technischer Ausstattung sowie Büroräume und Gemeinschaftsflächen zur Verfügung, die den Start in die Selbstständigkeit erleichtern. Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ begleitet und berät das IGZ Sinzig technolo-gieorientierte Unternehmen in allen Belangen der Gründung und Führung. Die Integration in lokale, regionale und überregionale Netzwerke sowie die Synergien der Mieter untereinander sind weitere wesentliche Bestandteile des Gesamtkonzeptes. 

Der Innovationspark Rheinland in Grafschaft (IPR) ist der Premiumstandort für Firmen aus Industrie, Handwerk und Dienstleistungen. 

Arp Museum 

In Remagen-Rolandseck entsteht ein Museum für die Werke des Künstlerpaars Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, zwei bedeutende Künstler des 20. Jahrhunderts. Dazu werden die Stiftung Arp e.V. sowie das Land Rheinland-Pfalz ihre umfangreichen Sammlungen zur Verfügung stellen. Das Museum soll nach seiner Fertigstellung zudem als ein lebendiges Kunst- und Kulturzentrum fungieren und eine Sammlung von Gegenwartskunst beheimaten. Zu diesem Zweck wird nach Plänen des US-Star-Architekten Richard Meier ein modernes Musuemsgebäude errichtet, das mit dem historischen Bahnhofsgebäude verbunden wird. 

Das IGZ Sinzig, 2004 

Als Verlängerung der Museumsmeile Bonn stellt das Arp Museum einen Brückenschlag ins benachbarte Nordrhein-Westfalen dar. Es soll das Land Rheinland-Pfalz als südlichen Teil der „Rheinschiene“ für moderne und zeitgenössische Kunst und Kultur von Remagen über Bonn, Köln und Düsseldorf bis Duisburg sowie weit über die Landesgrenzen hinaus ins Bewusstsein rücken. Das Arp Museum gilt als das ambitionierteste und ehrgeizigste Kulturprojekt des Landes Rheinland-Pfalz. Es wird der Tourismusregion Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler, die jährlich mehr als 20 Millionen Besucher verzeichnet, neue wirtschaftliche Impulse bringen und ist für die Ausgleichsregion Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler von großer Bedeutung. 

Fazit und Ausblick 

Dank der Bonn-Berlin-Ausgleichsprojekte haben sich der Kreis Ahrweiler und seine regionalen Partner neu positionieren können. Verstärkt durch den „Leidensdruck“ des Verlustes der Hauptstadtfunktion Bonns ist die Region Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler enger zusammengewachsen, was im europäischen Wettbewerb der Regionen ein wichtiger Vorteil ist. An dem Regionsgedanken und einer Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Fremdenverkehr muss auch nach dem 31.12.2004, also nach dem Auslaufen des Bonn-Berlin-Ausgleichs, festgehalten werden. Ein wichtiger Meilenstein wird der geplante Beitritt des Kreises Ahrweiler zur Standort-Marketing Region Köln / Bonn GmbH sein. 

Die im Landkreis Ahrweiler realisierten Ausgleichsprojekte sind Motoren für die Entwicklung all seiner Wirtschaftszweige. So haben zunächst zahlreiche Handwerksbetriebe von den Investitionen in die Gebäude selbst und deren Einrichtung profitieren können. Erhebungen der Kreiswirtschaftsförderung zufolge wurden zudem fast 900 Arbeitsplätze durch die Ausgleichsprojekte unmittelbar geschaffen bzw. gesichert. Hierin eingerechnet ist die Zahl der in weiteren sechs mit Ausgleichsmitteln geförderten Gewerbegebieten geschaffenen Arbeitsplätze. Viel wichtiger ist aber, dass mit diesen Projekten der Grundstein für eine zielgerichtete Entwicklung gelegt wurde. Mit der Fokussierung von RheinAhrCampus Remagen, Innovationspark Rheinland und Innovations- und Gründerzentrum Sinzig auf die Gesundheitsbranche sowie durch die Initialzündung des Pilotprojektes hat der Kreis Ahrweiler als Gesundheits- und Fitnessregion an Bedeutung enorm gewonnen. Jetzt gilt es, diese neuen Bausteine so miteinander zu vernetzen, dass Synergien entstehen, die dem Kreis mittel- bis langfristig wichtige (hochwertige) Arbeitsplätze bescheren und vorhandene sichern. An dem neuen Profil muss allerdings weiter gefeilt werden. Dies ist eine Daueraufgabe für sämtliche verantwortlichen Kräfte im Kreis Ahrweiler. Es gilt, den Kreis Ahrweiler gemeinsam als attraktiven (High-Tech-) Wirtschaftsstandort vor den Toren Bonns auszubauen.