Der Dorfschmied. Ein ausgestorbenes Handwerk

Der Dorfschmied, in früheren Jahren einer der angesehensten Berufe in ländlichen Gebieten, ist seit den 1950er Jahren infolge der Technisierung und Modernisierung in der Landwirtschaft nahezu ganz ausgestorben. Nur wenige haben die wirtschaftliche Entwicklung überlebt und sind auf Kunstschmiede oder Hufschmiede für Reitpferde übergegangen. 

Durch die Zusammenarbeit von Schmied und Stellmacher für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte, sind ebenfalls die Stellmacher „Wääner genannt“, völlig von der Bildfläche verschwunden. Das gilt für den gesamten ländlichen Raum. 

Die älteren Dorfbewohner können sich noch daran erinnern, dass in Müllenbach zwei Schmiede-Betriebe waren, die das Dorf und auch Nachbardörfer mit den anfallenden Schmiedearbeiten versorgten. 

Die „Schmett“ (Schmiede) des Meisters Peter Helten befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite meines Elternhauses. Dadurch lag es nahe, dass ich viele Stunden meiner Jugendzeit in dieser Schmiede verbrachte. Wenn ich an die Vorkriegszeit zurückdenke, höre ich heute noch das traute und wohlklingende Hämmern der Werkzeuge auf dem Schmiedeamboss. 

Interessant für mich und viele meiner Schulfreunde waren die vielfältigen Arbeitsgänge. Wir erleben mit, was alles aus Eisen und Stahl hergestellt werden konnte. Zudem konnten wir uns in der kalten Jahreszeit die Hände am Schmiedefeuer erwärmen. 

Wir Kinder waren begeistert, wenn der Schmiedemeister uns das Ziehen des Blasebalges überließ. Das Schmiedefeuer wurde mit hochwertiger Steinkohle befeuert und erreichte mit Hilfe eines Lufterzeugers (Blasebalg) eine Hitze von etwa 800 Grad. In späteren Jahren wurde der Blasebalg durch ein elektrisches Gebläse ersetzt. 

Arbeit am Schmiedeamboss

Der Klauenbeschlag 

Ein wichtiges Standbein für den Dorfschmied war damals der Klauen- und Hufbeschlag so wie die damit verbundene Herstellung von „Blätte“ (Beschlageisen) für Klauentiere und Hufeisen für Pferde. 

Die „Helten Schmiede“ hatte einen Jahresbedarf von etwa 3000 bis 3500 solcher Beschlageisen. Je nach Verschleiß wurden Ochsen und Kühe 2 bis 3-mal im Jahr mit neuen Beschlageisen versehen. 

Vor dem Krieg waren in Müllenbach und Umgebung Ochsen und Kühe die Hauptzugtiere in der Landwirtschaft, nur wenige Bauern besaßen ein Pferdegespann. 

„Datt Blätte maache“, wie der Schmied diese Arbeit nannte, erforderte sehr viel Zeit und wurde hauptsächlich in den Wintermonaten durchgeführt. Aus Flacheisen, welche eigens für diesen Zweck vom Eisenhandel geliefert wurden, mussten kleine Stücke im glühenden Zustand auf dem Schmiedeamboss abgetrennt werden. Für die weitere Bearbeitung wurde eine zweite Kraft benötigt, die den etwa 5 Kilogramm schweren Vorschlaghammer bediente.

Der Schmiedemeister nahm das glühende Stück Eisen mit einer Feuerzange aus dem Feuer und begann mit seinem Handhammer, der etwa 2 Kilogramm schwer war, auf dem Amboss zu hämmern. In gleichmäßigem Takt schwangen dann die beiden Männer ihre Hämmer und hämmerten solange auf das Werkstück, bis eine „Blätte“ als Rohling entstand. Zwischendurch musste das Eisen wieder ins Feuer gelegt werden, um es erneut zum Glühen zu bringen. 

Die weiteren Arbeitsgänge konnte der Schmied ohne Hilfsperson tätigen. Das Werkstück wurde so in Form gebracht, dass es den Klauen der Zugtiere entsprach. Mit einem Vierkantdorn wurden noch 5 Löcher eingeschlagen, um das spätere Befestigen mit Hufnägeln zu ermöglichen. 

Die endgültige Anpassung der Eisen an die Klauen der Zugtiere erfolgte im Frühjahr bevor die Feldbestellung begann. Diese Arbeiten wurden außerhalb der Schmiede im sogenannten Notstall durchgeführt.

Pferdehufeisen (o.) und Beschlageisen für Ochsen und Kühe (u.) 

Der Hufbeschlag 

Zum Beschlagen der Pferdehufe musste der Schmiedemeister eine separate Hufbeschlags-Prüfung ablegen. Daher waren echte Hufschmiede eher selten und begehrte Handwerker. Da es heute keine Ackerpferde mehr gibt, ist der Hufbeschlag nur noch den Reitpferden vorbehalten. Große Beliebtheit finden in der heutigen Zeit Kunstschmiedearbeiten. 

Der Wagenbau 

Ein weiteres Standbein des Schmieds war der Eisenbeschlag an Ackerwagen und landwirtschaftlichen Geräten wie Pflug, Pflugschlitten, Eggen, Mistkarren usw. 

Der „Wääner“ (Stellmacher) brachte die in Handarbeit angefertigten Holzteile, die aus abgelagertem Eichenholz bestanden, als Rohlinge zur Dorfschmiede. 

Eine zeitlich aufwendige, aber auch erfindungsreiche Arbeit für den Schmied bestand darin, einen Ackerwagen komplett mit Eisenbeschlägen zu versehen. Zunächst mussten die Beschläge, die aus sehr vielen Einzelteilen und verschiedenen Formeisen bestanden, im glühenden Zustand auf dem Schmiedeamboss angefertigt werden. 

Die beiden Achsen mit den dazugehörigen Buchsen wurden von einer Achsenfabrik angeliefert, weil eine eigene Anfertigung nicht möglich war. Ebenfalls wurden die Gewindestangen mit Schraubengang für die Bremsvorrichtung vom Eisengroßhandel bezogen. 

In dieser Zeit kannte man in den Eifeldörfern noch keine gummibereiften Ackerwagen. Eine besondere Kunst war das Anfertigen von Wagenrädern, die der Stellmacher aus bestem ausgesuchten Holz herstellte. Die Eisenbereifung der Holzräder war dann Sache des Dorfschmiedes. Eine schwere und schweißtreibende Arbeit für den Schmied war das Aufziehen der Eisenbänder auf die Holzräder. Hierzu waren meist 3 bis 4 Mann erforderlich.

Im Hof der Schmiede wurde eigens für diesen Zweck ein Aufziehbock parat gestellt, worauf alle vier Räder nach und nach aufgelegt wurden. In der Schmiede waren für diese Arbeiten zwei Feuerstellen erforderlich. Diese waren notwendig, um die großen Bandeisen, die auf der Biegemaschine rund geformt worden waren, glühend heiß zu machen. Um den flach im Feuer liegenden Ring gleichmäßig zu erhitzen, musste der Feuerungstisch sehr groß sein. Die Stellen des Ringes, die nicht direkt im Feuer lagen, wurden mit heißer Kohlenschlacke abgedeckt, um das Abkühlen zu vermeiden. 

War der Radring ringsum glühend heiß, hievten die mithelfenden Männer mit großen Feuerzangen und Hebelwerkzeugen den Ring auf die Felge des Rades. Dann war für den Schmied Eile geboten. Der Ring wurde eingebrannt und mit schnellen Hammerschlägen eingepresst. Sobald die richtige Position erreicht war, musste diese Stelle schnellstens mit Wasser erkaltet werden, damit das trockene Holz nicht zu Brennen begann. 

Zum Schluss wurde noch die Buchse in die Radnabe eingepresst, welche vorher mit den entsprechenden Eisenbändern stabilisiert worden war. 

Wenn die Witterung es zuließ, wurde das Aufziehen der Wagenräder am nahen Bachufer durchgeführt. Dort bestand einerseits die Möglichkeit, ein entsprechend großes Feuer anzulegen und zudem stand an einer angestauten Bachstelle genügend Kühlwasser zur Verfügung. Nachdem die beiden Achsen und die vielen anderen Eisenbeschläge angebracht waren, konnte der Wagen im Hof der Schmiede zusammen gebaut werden. Die Verbindung vom Vorderwagen zum Hinterwagen war mit einem „Langfuhrt“ gekoppelt. Der „Langfuhrt“ konnte beliebig verlängert werden und so konnte z.B. für den Aufbau als Erntewagen eine entsprechende Länge gewählt werden. 

Da in der damaligen Zeit noch keine Drehkranz-Lenkung üblich war, bestand die Lenkung der Ackerwagen aus dem sogenannten „Schemel und der Schmiege“. Damit konnte gleichzeitig der Höhenunterschied zwischen Vorder- und Hinterwagen ausgeglichen werden, der aufgrund kleinerer Vorderräder etwa 20 bis 30 cm betrug. 

Wenn das Gespann aus zwei Zugtieren bestand, wurde am Vorderwagen eine Deichsel angebracht, an deren vorderen Ende drei starke Eisenringe befestigt waren. Jedes Zugtier musste mit einer Halskette an einen dieser Ringe angebunden sein. Zum Ziehen des Wagens benötigte jedes der Tiere eigene „Streng“ (Zugketten mit Sielscheid), die am Vorderwagen eingehängt waren. Der 3. Ring wurde benötigt, wenn weitere Zugtiere als Vorspann erforderlich waren. Wurde nur ein Pferd oder ein Ochse eingespannt, benutzte man an Stelle der Deichsel die so genannte Schere, die auch vom Stellmacher und Schmied in Zusammenarbeit hergestellt war. 

Der letzte Arbeitsgang am Ackerwagen war der Anstrich. Alle Holzteile wurden mit Karbolineum und die Eisenteile mit schwarzer Eisenfarbe gestrichen. 

Um den Wagen zu komplettieren, wurde vom dörflichen Schreinermeister ein Kastenaufbau angefertigt, der in grüner Farbe gehalten wurde. 

Ein Prachtstück stand dann im Hof der Schmiede. Viele schaulustige Dorfbewohner, insbesondere aber auch fremde Fahrzeuginsassen, die an der Hauptstraße einen kurzen Halt einlegten, bewunderten das Kunststück, das von einfachen Handwerksmeistern der Eifel angefertigt worden war. 

Eine weitere Erwerbsquelle für den Schmied war das Anfertigen von Tür- und Torbeschlägen, das Löten von Kesseln und Kochtöpfen usw. Schweißarbeiten wurden in den 1930er Jahren schon mit Autogen-Schweißgeräten ausgeführt. Dazu war Karbid und Sauerstoff erforderlich, was natürlich Geld kostete. Billiger war dagegen das Schweißen auf dem Schmiedefeuer. Bei einer Hitze von etwa 1200 Grad wurden die Werkstücke durch Bestreuen mit Sand zusammengeschweißt. Sehr viele Schweißarbeiten konnten nur auf dem Schmiedefeuer getätigt werden. Beispielsweise wurden bei abgenutzten Pflugscharen, Eggenzähnen, Hacken oder sonstigen Arbeitsgeräten Hartstahlteile angeschweißt, um sie wieder nutzbar zu machen. 

Anekdote 
Datt Hammerwerk 

Eine wahre Begebenheit, die sich in den 1930er Jahren zutrug, bestärkt die vielgeäußerte Meinung, dass es auch früher schon begabte und erfindungsreiche Handwerker in der Eifel gab. Um die zweite Arbeitskraft einzusparen, die den Vorschlaghammer in der Dorfschmiede schwang, konstruktuierte der Müllenbacher Schmiedemeister Peter Helten sein eigenes Hammerwerk. 

Durch Bedienen eines Fußpedals kam ein ca. 5 Kilogramm schwerer Hammer durch eine Mechanik von der Schmiededecke herunter und schlug genau auf die Stelle des zu verarbeitenden Werkstücks auf dem Schmiedeamboss auf. Eine Federung bewirkte, dass der Hammer wieder nach oben schnellte. Somit konnte die Hammertätigkeit in beliebiger Folge fortgesetzt werden. 

Diese Erfindung wurde einigen Männern des Dorfes, die sich im Winter täglich gerne in der Schmiede aufhielten, vorgeführt. 

Der Schmied, sichtlich stolz und froh über seine Eigenkonstruktion, behauptete gegenüber den Anwesenden:

„Domött haue ech obb de Millimeter“ 

Nun war es in den früheren Jahren üblich, dass Männer, die es sich leisten konnten, eine vergoldete Taschenuhr mit Sprungdeckel besaßen. Dieses wertvolle Stück war in der Westentasche der „Mannsleut“ untergebracht und so vor Beschädigungen und Schmutz geschützt. Als sichtbares Zeichen war die Uhr mit einer vergoldeten Kette verbunden, die als Schleife außen an einem Knopfloch der Weste befestigt war. Bekannterweise hatten die Taschenuhren im Innern ein umfangreiches Räderwerk und die Hauptzahnrädchen waren in Edelsteinen gelagert. 

Einer der umstehenden Männer wollte ein wenig provozieren und sagte zum Schmied: 

„ Pitter, zeich ooß doch bie punktjenau Dein Patent funktioniert. Lääch Dein jood Auer obb de Amboss, loß der Hammer eroof kunn unn jenau an der Auer vorbei john“. 

Gesagt und getan. „Pitter läächt sein Auer obb der Amboss, trett obb datt Pedal unn setzt domött datt Hammerwerk önn Bewegung“. Es folgte ein Geklirre und Geschreie, Pitter brachte nur den einen Satz über seine Lippen: 

„Ei nau kuckt doch ees eloo, bie die Rädche spritze.“ 

Das war das Ende einer wertvollen Sprungdeckel-Taschenuhr.