1646 – ein Schreckensjahr des Dreißigjährigen Krieges in Ahrweiler
1646 – ein Schreckensjahr des Dreißigjährigen Krieges in Ahrweiler
Josef Müller
„Ein furchtbar wütend Schrecknis ist der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten“ Friedrich von Schiller, „Wilhelm Tell“
In der Geschichte des deutschen Volkes spielt der „Dreißigjährige Krieg“ von 1618 eine schlimme Rolle. Für die Bürger der Stadt Ahrweiler war das Jahr 1646 fürwahr ein Schreckensjahr, wie der Chronist des Klosters Calvarienberg berichtet. Am 8. Juli 1646 marschierte ein Weimarisches Regiment unter dem Befehl des Christen Rußwurm in die Grafschaft Neuenahr und raubte alles Vieh in den Ortschaften Eckendorf, Gelsdorf und Karweiler. Beim Rückzug dieser Freibeuter wurden neun von ihnen durch Reiter, die in Ahrweiler als Besatzung untergebracht waren, aufgegriffen. Das geraubte Vieh wurde teilweise befreit. In der folgenden Nacht flüchteten viele Reiter und Fußknechte aus Furcht vor dem herannahenden Feind nach Bonn. Am 9. Juli verließen mehrere Bürger heimlich die Stadt. Am 10. Juli rückten die Weimarischen Truppen gegen die Stadt Ahrweiler vor und umschlossen sie. Gegen 9 Uhr forderte General de Turenne durch einen Trompeter die Stadt zur Übergabe auf.
Die Antwort war, die Einwohner wären zur Verteidigung entschlossen. Nun befahl der General, ein Lager nahe der Stadt aufzuschlagen und die vorhandenen 14 Kanonen auf die Stadt zu richten. Manche Bürger dachten da an Flucht, beherztere jedoch schössen mit ihren armseligen Kanonen auf den Feind los. Von den Flüchtlingen wurde unter anderem der Pastor Serva-tius Otler aufgegriffen und ins feindliche Lager abgeführt. Gegen Abend dieses 10. Juli hißten die Ahrweiler Bürger angesichts der enormen Stärke des Feindes die weiße Fahne. Sie waren gewillt, die Bedingungen des Feindes anzunehmen.
Daraufhin rückte der General mit seinen Soldaten vor die Stadt und nahm vom Bürgermeister die Schlüssel der Stadt in Empfang. Sie mußten auf den Knien den General um Hilfe bitten. Hätten sie nicht so gehandelt, wäre alles mit Feuer und Schwert vernichtet worden.
50 Infanteristen rückten sofort in die Stadt ein und ließen sich von den Bürgern für etliche Fähnlein Quartier anweisen. Sie sahen sich die Besitztümer und Häuser genau an. Einige Schwadronen füllten ihre leeren Fourierwagen mit dem besten Gut der Stadt und brachten sie ins Lager. Nun aber kam es noch schlimmer. Am 11 Juli drangen mehrere Regimenter und Fähnlein in Ahrweiler ein. Man ließ ihnen völlig freie Hand. Sie plünderten in grimmiger Gier und Wut und brachen Tore und Türen der Häuser auf. Sogar in der Kirche nahmen sie alles Gerät. Dabei entstand ein solches Gedränge, daß fünf der Räuber beim Plündern erschlagen wurden.
Viele Bürger wurden verwundet, Mädchen und Frauen geschändet. Man zog Männer und Frauen aus und peinigte die Nackten. Sieben Bürger wurden auf das elendigste und grausamste getötet. Aber die Zerstörungswut ging noch weiter. Kelche und viel anderes kostbares Kirchengerät rafften sie zusammen. Die Räuber erbrachen das Sepülcrum des Hochaltars und füllten den Taufstein mit Unflat. Sie gruben auch die Gräber der Toten auf und schlugen wild auf die Orgel ein. Bilder des gekreuzigten Heilands und die Bildsäulen der Heiligen wurden von den Bilderstürmern zerschlagen. Alles schleppten sie aus der Kirche fort. Einige tobten in der Stadt, verwundeten die Männer und mißhandelten die Frauen. Als sie nichts mehrfortzuschleppen fanden, taxierten sie alle Bürger auf ein bestimmtes Geld. Gaben sie das nicht, drohten sie, ihnen den Hals abzuschneiden. Etwa 300 Personen flüchteten in das Haus des damaligen Stadtbaumeisters Gohr. Sie waren teilweise ihrer Kleidung beraubt und schwer verwundet. Unter Vortritt des Stephanus Schleich, der selbst am Kopfe verletzt war und nur teilweise Bekleidung trug, zogen sie in Prozession mit dem allerheiligsten Sakrament auf den Kalvarien-berg. Das geschah am 12. Juli frühmorgens.
Nachdem nun aller Proviant in das Lager gebracht war, zogen sich die Angreifer aus der Stadt zurück. Die Bürger aber suchten Unterkunft, Trank und Speise auf dem Kalvarienberg.
Über das ganze Stadtgebiet hatte sich inzwischen ein furchtbarer Verwesungsgeruch von toten Tieren und Menschen verbreitet. Die Truppen hausten in den umliegenden Dörfern ebenso grausam wie im Stadtbereich Ahrweiler. Als der Kurfürst von Köln, Ferdinandus, die Botschaft von der Verwüstung in Ahrweiler hörte, sandte er Christian Vetter, Pastor in Sinzig und Landdechant, den Kaplan Hubertus, Stephan Schleich und den Vikar Anno Weinrich nach Ahrweiler, um Hilfe zu leisten. So geschah es am 28. Juli. Am Tage darauf, dem Sonntag, 29. Juli, zog die Gemeinde von Ahrweiler in feierlicher Prozession zum Kalvarienberg. Nach dem Hochamt mit Predigt brachten sie die Monstranz des allerheiligsten Sakramentes, die im Hause des Johannes Gohr versteckt und so gerettet worden war, in Prozession zur Pfarrkirche zurück.
Das Jahr 1646 war für Ahrweiler ein Schrekkensjahr, von dem sich die Bürgerschaft nur ganz allmählich erholen konnte. Zwei Jahre nach diesem Geschehen nahm der Dreißigjährige Krieg ein Ende.