15O. Jahrestag der Rückführung der Reliquien des hl. Apollinaris
nach Remagen
Josef Hoss
„Höhepunkte innerhalb der Remagener Geschichte in der Zeit von 1813—1879 waren die Rückführung des Hauptes des hl. Apollinaris im Jahre 1826 und die feierliche Einweihung der Apollinariskirche im Jahre 1857 sowie der im folgenden Jahre erfolgte Anschluß an die Eisenbahnstrecke Köln—Koblenz.“
So schreibt Landesverwaltungsrat Dr. Klaus Flink in der von ihm zusammengestellten „Chronik der Stadt Remagen von 1813 bis 1879″ (RIGOMAGUS 3) und hebt dabei hervor, daß diese Ereignisse in Remagen einen starken Anstieg des Fremdenverkehrs und einen wirtschaftlichen Aufschwung zur Folge hatten.
Aus Anlaß des 150 Jahrestages am 25. Januar 1976 soll an dieser Stelle berichtet werden über eines dieser für Remagen bedeutungsvollen Ereignisse: die Rückführung des Hauptes des hl. Apollinaris im Jahre 1826. Einen mehr oder weniger genauen Bericht über die Rückführung an sich gibt uns in der erwähnten Remagener Stadtchronik Bürgermeister Anton Aloys Queckenberg, dessen Amtsperiode 1820—1846 dauerte.
Das Reliquiar mit den Reliquien des hl. Apollinaris in der Prozession
Foto: Kreisbildstelle
Doch werfen wir zuvor einen Blick in die Festschrift „100 Jahre Franziskaner auf dem Apollinarisberg in Remagen“, die 1957 von den Franziskanern auf dem Apollinarisberg herausgegeben wurde. Darin kann man über den „Hl. Berg“ und seine Reliquien u. a. folgendes lesen:
„Es ist geschichtlich nicht mehr eindeutig festzustellen, wann die Reliquien des hl. Apollinaris auf den Berg gekommen sind, die ihm schließlich den Namen gegeben haben. Sie gaben der Wallfahrt zum Berg den eigentlichen Auftrieb. Da die Verehrung bis tief ins 14. Jahrhundert hinein nachzuweisen ist, dürfen wir mit Recht vom hl. Apollinaris von Remagen sprechen. Die Reliquien müssen um die Mitte des 14. Jahrhunderts bereits eine Berühmtheit gehabt haben und weithin bekannt gewesen sein. … Vom Jahre 1329 an tritt nachweislich die Festfeier des Apollinaristages stark in den Vordergrund. … Es liegt nahe anzunehmen, daß sich die Abtei Siegburg als großzügige Geberin erwiesen hat, da diese Abtei reich an alten kostbaren Reliquien war. Es mochte ihr daran gelegen sein, die von ihr abhängige Gründung auf dem Martinsberg zu Bedeutung und Ansehen zu bringen.
Für die große Bedeutung der Reliquien spricht die ängstliche Sorge um ihre Erhaltung und Bewahrung, wenn dem Berg in stürmischen Zeiten Unheil drohte.
In einer Fehde, die der Abt von Siegburg mit dem Herzog von Jülich auszutragen hatte, wurden sie von ihm sehr begehrt. Es gelang dem Herzog im Jahre 1383, einen Teil der Reliquien als kostbare Beute in seine Residenzstadt Düsseldorf zu entführen. Er schenkte sie dem späteren von ihm erweiterten Kollegialstift St. Lambertus. Das hl. Haupt war bereits zu Beginn der Fehde nach der festen Burg Landskron gerettet und in Sicherheit gebracht worden. Hier verwahrte es der Burggraf Gerhard von Einenberg ehrfurchtsvoll in der Schloßkapelle. Es gereichte den Bewohnern der Burg zu sichtlichem Segen, bis es im Jahre 1394 dem Bergheiligtum in Remagen zurückgegeben wurde. …
Im österreichischen Erbfolgekrieg 1740 bis 1748 sah man sich erneut genötigt, das hl. Haupt in Sicherheit zu bringen. Es wurde bis zum Jahre 1750 in Köln in der Gruft des Siegburger Hofes verborgen gehalten und dann nach Remagen zurückgebracht.“
Die wohl größte Gefahr drohte der Reliquie durch die Französische Revolution und den Kriegszug des republikanischen Heeres im Jahre 1793. Zunächst wurde sie in Remagen selbst versteckt, dann kurz danach in der Kirche in Unkel. Zeitweise soN sie in einem Krautschuppen verborgen gewesen sein. Noch im.gleichen Jahr gelangte die Reliquie nach Siegburg und am 12. Mai 1812 zu den anderen Gebeinen des hl.. Apollinaris nach Düsseldorf.
Bemerkenswert ist, daß in all den Jahren, in denen die Reliquie nicht auf dem Apollinarisberg war, Andachten und Wallfahrten zum Berg unvermindert beibehalten wurden. Die Bevölkerung blieb „ihrem“ Heiligen treu. Der Anspruch auf die Reliquie wurde aufrecht erhalten und sofort, nach dem Ende der Freiheitskriege aktiviert. Die Regierung in Düsseldorf lehnte jedoch die Rückführung ab.
Nach der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Preußen im Jahre 1821 versprachen die Verhandlungen einen Erfolg. Die Remagener bemühten sich jetzt um die Vermittlung des Bischof Joseph von Hom-mer von Trier und des Erzbischofs Ferdinand August Graf von Spiegel zum Dezen-
berg von Köln, die bei dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz, von Ingersleben, Erfolg hatte.
Groß war die Freude In Remagen über ein Schreiben, das am 2. Dezember 1825 bei Pfarrer Windeck eintraf:
„Seine Erzbischöflichen Gnaden von Köln haben mir gestern die Nachricht zugehen lassen, daß die Verabfolgung des Hauptes des hl. Apollinaris zu Düsseldorf keinem Anstand mehr unterliege, und erwarten nur die Art, wie selbes in Düsseldorf abgenommen werden soll, um den Herrn Pfarrer Heinzen zu Düsseldorf hiervon zu praevenieren, weil der Herr Erzbischof dem Verlangen der Gläubigen zufolge gestatten will, daß die hl. Reliquie vor der Abnahme noch einige Tage der öffentlichen Verehrung ausgesetzt werde.“
Der Bischof hatte den Tag „Pauli Bekehrung“, den 25. Januar, zur feierlichen Obertragung bestimmt, und alle Vorbereitungen wurden für diesen Festtag getroffen. In der Chronik der Stadt Remagen wird u. a. darüber berichtet:
„Als nun im Jahre 1825 der erzbischöfliche Sitz wieder nach Coeln verlegt und der Graf von Spiegel zum Desenberg als Erzbischof ernannt worden war, verfügte sich der Bürgermeister Queckenberg in Begleitung des Stadtrats Hoff mann am 10. Juni des Jahres nach Coeln, wo er den Tag nach der Consecratlon des neuen Herrn Erzbischofs durch Vermittlung dessen Geheimsekretärs, nachherigen Domkapitulars Herrn München, eines Freundes des Bürgermeisters, die erste Audienz bei demselben erhielt und Ihm — dem Erzbischofe — eine Bittschrift überreichte, worin er dahin antrug, daß der Stadt und Pfarrei Remagen auf Grund ihres alten Rechts und Besitzstandes das Haupt des hl. Apollinaris zurückgegeben werden möge. Der Herr Erzbischof, der diese Bittschrift mit Güte aufnahm, versprach, die Sache zu untersuchen und nach Recht zu entscheiden.
Einige Monate nachher erfolgte nun auch wirklich diese Entscheidung zu Gunsten der Stadt Remagen unter gleichzeitiger Bestimmung des Tages, an welchem das hl. Haupt durch Abgeordnete von Remagen in der Lambertikirche zu Düsseldorf wieder in Empfang genommen und nach Remagen zurückgebracht werden sollte.
Apollinarisklrche, Remagen, nach einem Stich, 19. Jahrhundert
Repro: Kreisbildstelle
Der Herr Bürgermeister Queckenberg begab sich nun mit dem damaligen Herrn Vikar Bauer und dem Herrn Stadtrat Hoffmann nach Coeln zu dem Herrn Erzbischof, um von demselben die näheren Verhaltungsbefehle einzuholen und von dort am anderen Tage, dem 22. Januar 1826, über den stark mit Eis gehenden Rhein und über Deutz und Mülheim nach Düsseldorf. Dort am nämlichen Tage abends angelangt, begab sich die Deputation zu dem Pfarrer ad stm. Lambertum, Herrn Dechant Heinzen, um für den folgenden Tag behufs Übernahme des hl. Hauptes Verabredung zu treffen.
Am anderen Morgen nach neun Uhr war in der Lambertikirche feierliches Hochamt, abgehalten durch den Herrn Weihbischof von Beyer, während dessen der Herr Pastor Heinzen an die zahlreich versammelten Gläubigen der Stadt Düsseldorf eine passende Anrede hielt, worin er denselben die Gründe auseinandersetzte, welche für die Stadt Remagen sprachen und den Herrn Erzbischof, Gerechtigkeit übend, bewogen hatten zu befehlen, daß das Haupt des hl. Apollinaris der rechtmäßigen Eigentümerin, der Pfarrkirche zu Remagen, zurückgegeben und verabfolgt werden sollte.
Nach beendigter Feierlichkeit wurde sodann das hl. Haupt dem Bürgermeister Queckenberg und seinen Begleitern feierlich übergeben und bis zu deren Abreise noch in der Lambertikirche reponiert und aufbewahrt.
Am anderen Morgen, dem 24. Januar, wurde sodann das hl. Haupt in der besagten Kirche durch die genannten Deputierten abgeholt und durch die Düsseldorfer Geistlichkeit und Einwohner in Prozession bis dem Rhein begleitet, wo nun Abschied genommen wurde. Am nämlichen Tage gegen Abend langte die Deputation in Coeln wieder an und wurde nun das hl. Haupt der Anordnung des Herrn Erzbischofs zufolge in der Severinskirche daselbst niedergestellt.
Am folgenden Tage morgens wurde dasselbe dort wieder abgeholt, und nun ging die Reise wieder weiter nach Bonn und von dort nach eingenommenem Frühstück, während dessen das hl. Haupt in der Münsterkirche deponiert war, fort nach Remagen.
Als nun die Deputierten mit dem hl. Haupt am Unkelstein ankamen, wurden sie von einer äußerst zahlreichen Prozession, welche sich vom Unkelstein bis an die Tore von Remagen erstreckte, mit Kreuz und Fahne bei hellem Sonnenschein — der Tag war bis dahin trüb und bedeckt gewesen — in Empfang genommen. Der Zug ging nun unter Gebet und Gesang fort bis zur Cantonal-Pfarrkirche In Remagen, wo eine besondere Feier stattfand, die mit dem Lobgesang Te Deum laudamus endete.“
Franz Egon Graf von Fürstenberg-Stamm-heim (vgl. Heimatjahrbuch 1970, S. 28) ließ nach den Plänen des Kölner Dombaumei-Sters Zwirner auf dem Berg die heutige Apollinariskirche erbauen, deren Grundsteinlegung am 27. Juli 1839 erfolgte.
Die Weihe des neuen Gotteshauses fand am 25. März 1857 statt, und im gleichen Jahr berief der Graf die Franziskaner als Hüter des Heiligtums auf den Berg. Das hl. Haupt wurde am 23. Juli 1857 nach 64jähriger Abwesenheit vom Berg in feierlicher Prozession von der Pfarrkirche zur Apollinariskirche gebracht.
In der Festschrift „Neue Kirche am alten Tor“, die 1952 zur 50-Jahrfeier der erweiterten Pfarrkirche in Remagen herausgegeben wurde, beschreibt Dechant Dr. Peters eine von Pfarrer Windeckverfaßte Inschrift an der Außenseite des Chores der alten Kirche, die 1826 aus Anlaß der Rückkehr des Hauptes des hl. Apollinaris angebracht wurde. Es handelt sich hier um ein Chronodlstichon, d. h. um lateinische Verse, in denen Großbuchstaben, die im Lateinischen Zahlenwert besitzen, die Jahreszahl des Ereignisses angeben, von dem der Vers handelt.
Die Übersetzung lautet:
„Friedliche Zeiten sind uns wieder geschenkt. So schau denn gnädig herab auf die Deinen, du Märtyrer Apollinaris.
Deine Gebeine, sie ruhen nun wieder in heimischer Erde. Wir wollen sie allzeit in Liebe verehren. Sei Fürsprecher der Gesunden, hilf den Kranken und geleite sicher die Sterbenden.
Beschütze unseren Erzbischof Ferdinand August und unseren Bischof Joseph. Dort oben mögen sie leben mit dir in inniger Gemeinschaft.
Sieh, so huldigen die Remagener ihrem Patron mit gläubigem Sinn und wahrer Verehrung.
Bei der Rückkehr des heiligen Hauptes hat obige Inschrift verfaßt Windeck, derzeitiger Pfarrer, Definitor und Jubilar-Priester, Preußischer Ritter (des Roten Adler-Ordens).“ 1826 am 25. Januar
Das Gedächtnis der Rückführung der Reliquie des hl. Apollinaris wird seitdem alljährlich in der sogenannten Klein-Äpollinaris-feier erneuert.
Aus Anlaß des 150. Jahrestages feierte der Trierer Weihbischof Dr. Alfred Kleinermeilert in Vertretung des erkrankten Diözesanbischofs Dr. Bernhard Stein in der Apollinariskirche ein Pontifikalamt in Konzelebration mit dem Guardian des Franziskanerklosters, Pater Augustin, und Dechant Friedhelm Hammes.
Der Weihbischof hob in seiner Festansprache hervor, daß viele tausend Pilger im Laufe der Jahrhunderte auf dem Berg Kraft für ihr Leben mit allen Problemen und Sorgen gesucht und gefunden hätten. Es sei gerade die Wallfahrt, die oft Menschen dazu bringe, nicht die Dinge zu ändern, aber sich die Kraft zu nehmen, sie weiter zu tragen und daraus etwas wachsen zu lassen. Er wünschte dem Gnadenort auf dem Apollinarisberg, daß er weiterhin ein Segen sein möge für die Menschen und das Land, aus dem sie kommen.
Dechant Hammes drückte es aus Anlaß des Festtages in einem Pfarrbrief an die Gläubigen von Remagen so aus: „… Das Jubiläum sollte uns Anlaß sein zum Nachdenken: Unsere Vorfahren haben sich nicht kritiklos einen Phantom-Heiligen aufgebaut. Und sie haben ihren Glauben an die Hilfe Gottes keineswegs vom Anschauen oder Berühren von Reliquien oder von Wundern abhängig gemacht.
Das Vorbild „unseres“ Heiligen als eines Freundes Gottes und Zeugen der Frohen Botschaft Christi ist es, was St. Apollinaris auch heute noch für uns verehrungswürdig und nachahmenswert macht!“
Der damalige Guardian des Apollinarisklosters, P. Dr. Solanus Krätzig, schreibt in der Festschrift von 1957 über die Rückführung der Reliquie des hl. Apollinaris:
„Wir dürfen darin eine wunderbare Fügung sehen, die über dem Berg, seinem Heiligtum und der Wallfahrt zu ihm waltet, daß die kostbare Reliquie in den Stürmen und in dem Wechsel der Zeiten nicht verloren und
unterging und schließlich nach Gottes Willen wieder heimgefunden hat.“
Die christliche Bevölkerung an Rhein und Ahr blieb ihrem Bergheiligtum auch In den schwersten Zeiten der Bedrängnis treu. Das zeigten vor allem die Remagener, als sie sich so zäh durch den Bischof von Trier und den Erzbischof von Köln bei der preußischen Regierung um die Rückgabe des hl. Hauptes einsetzten.
Georg Christoph von Hagen, Abt zu Siegburg, faßte im Jahre 1759 die Verehrer in der Bruderschaft vom hl. Apollinaris zu einer Gebetsgemeinschaft zusammen. Sie wurde am 17. März 1759 vom Erzbischof Klemens August II. von Köln bestätigt.
Die Bruderschaft besteht noch heute. Groß ist die Zahl jener, die sich Jahr für Jahr in diese Bruderschaft einschreiben lassen und die Verehrung des Heiligen in Stadt und Land hinein weitertragen!