125 Jahre Höhere Schule in Ahrweiler
Das Peter-Joerres-Gymnasium Ahrweiler in der kulturellen Tradition von Stadt und Landkreis
Horst Müller
Am 1. Mai 1860 begann für 19 Schüler der Unterricht in der 1. Klasse der Höheren Bürgerschule von Ahrweiler in der Knaben-Volksschule. Damit hatten die jahrelangen Bemühungen der Ahrweiler Bürgerschaft, in der jungen Kreisstadt auch eine höhere Lehranstalt zu begründen, ihren ersten Erfolg errungen. Es war die Geburtsstunde des heutigen Peter-Joerres-Gymnasiums Ahrweiler. Der Unterricht in den Fremdsprachen Latein, Französisch und Englisch war von Anfang an wesentliches Merkmal dieser Schule. Sie sollte, auf der Elementarstufe aufbauend, ihre Bestrebungen auf eine Ausbildung für das bürgerliche Leben richten. Darunter war in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Leben im Sinne des humanistisch gebildeten Bürgertums zu verstehen. Die Vorbereitung auf die Oberstufe des Gymnasiums wurde dann bald eine weitere Aufgabe der Höheren Bürgerschule.
Zunächst war die junge Gründung von Schwierigkeiten verwaltungstechnischer Art begleitet. Mehrfach drohte die Provinzialregierung mit der Schließung, weil sich kein Schulleiter fand, der eine gute Entwicklung hätte garantieren können. Stadtrat und Bürgerschaft von Ahrweiler ließen sich aber von den Problemen nicht entmutigen. Sie machten der Regierung immer neue Vorschläge und kämpften um die Erhaltung ihrer Höheren Bürgerschule, damit hier ein kultureller Mittelpunkt für die Stadt entstand. Sie nahmen ihren selbstgestellten Anspruch ernst, dafür Sorge zu tragen, daß die Schule ihrer Aufgabe, die Jugend zu bilden und auf ein sinnerfülltes Leben vorzubereiten, gerecht werden konnte.
Der „Weiße Turm“, heute Ahrgaumuseum, bis 1907 Heimstatt der Höheren Bürgerschule
Mit dem Amtsantritt des ersten »offiziellen« Schulleiters, Peter Joerres, im November 1861, begann eine beständige Aufwärtsentwicklung der Schule, die bald alle Klassen bis zur Sekunda umfaßte. Die Schüler, welche die Höhere Bürgerschule mit Erfolg abgeschlossen hatten, konnten auf den Gymnasien der benachbarten Städte ihre Reifeprüfung ablegen. Joerres war in seiner langen Amtszeit (bis 1903) nicht nur der Organisator, sondern auch der Lehrer, der durch seinen Unterricht und seine Persönlichkeit den Geist der Schule weitgehend prägte. Er unterrichtete in Religionslehre, Mathematik, Französisch, Naturgeschichte und deutscher Deklamation. »Das Bildungsgut der Antike und die geistigen Errungenschaften der Moderne gingen unter seiner ordnenden Arbeit eine gesunde und geistformende Synthese ein.« (Karl Wagner in »Geschichte des Staatlichen Neusprachlichen Gymnasiums Ahrweiler«, in der Festschrift zur Hundertjahrfeier 1960, S. 25).
Neubau für das Progymnasium, 1907
Das Wirken von Peter Joerres muß auf seine Schüler und damit auf weite Kreise der Ahrweiler Bürgerschaft einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt haben, daß noch heute manche Erinnerungen an ihn weiterleben und derKreistag von Ahrweiler im Jahre 1984 dem Gymnasium seinen Namen gegeben hat. Die ständig wachsende Schülerzahl der Höheren Bürgerschule machte bald einen Umzug notwendig in die Räume des historischen Weißen Turms, der bis 1907 Heimstatt der Schule blieb und danach das von Peter Joerres begründete Heimatmuseum aufnahm. Als Heimatforscher hatte sich Joerres bis dahin schon einen Namen gemacht; seinen Jahresberichten über die Entwicklung der Höheren Bürgerschule fügte er seit 1883 jeweils eine wissenschaftliche Abhandlung bei, aus geschichtlichen, sprach- oder heimatkundlichen Gebieten. Außer dem Schulleiter ist in jener Zeit auch mancher seiner Kollegen durch wissenschaftliche Aufsätze hervorgetreten (nachzulesen in der erwähnten Schulchronik von Karl Wagner). So festigten sie durch diese Untersuchung ebenso wie durch ihre pädagogische Tätigkeit die Stellung der Schule innerhalb der kulturellen Tradition dieser Stadt. Im Jahre 1885 erhielt die Schule die offizielle Bezeichnung »Höhere Stadtschule«, womit ihr Charakter und der Unterhaltsträger genau definiert wurde. Zwei Jahre später wurde die bis dahin als privat geltende Schule laut Verfügung der Regierung eine öffentliche Schule. Um die Jahrhundertwende wurden die ersten Verhandlungen mit der Regierung geführt, um die Höhere Stadtschule in ein Progymnasium umzuwandeln. Joerres selbst erlebte dies nicht mehr als Schulleiter, erst gegen Ende der Amtszeit seines Nachfolgers Dr. Stern im Februar 1907 wurde die staatliche Anerkennung der Schule als Progymnasium ausgesprochen.
Provisorische Bleibe des Realgymnasiums nach 1945: »Weinbauschule«
Das Jahr 1907 war ein großer Höhepunkt in der Entwicklung der Schule. Ein anderer lange gehegter Wunsch wurde Wirklichkeit; auf dem Gelände an der Wilhelmstraße zwischen Ahrweiler und Neuenahr wurde am 14. Oktober das neue Schulgebäude eingeweiht, das noch vielen älteren Bürgern von Ahrweiler in vertrauter Erinnerung ist. Wie die Chronik berichtet, ist der Tag der Einweihung ein froher Festtag für die Bevölkerung gewesen, ein Zeichen, daß das Gymnasium tief verwurzelt war in der Gemeinschaft der Bürger. Der neue Direktor der Schule, Dr. Eschbach, stellte in seiner Ansprache als Aufgaben und Ziele der Schule heraus: »echte Religiosität, Toleranz, Vaterlandsliebe ohne Chauvinismus, Leistungsfreudigkeit ohne Übersteigerung und Vielwisserei« (K. Wagner, a.a.O., S. 53), Werte, über die nachzudenken sich heute noch (oder wieder) lohnt. Schon bald nach der Umwandlung in ein Progymnasium war der Gedanke aufgetaucht, die Schule zu einer Vollanstalt auszubauen. Direktor Leyhausen, Schulleiter seit 1910, verfolgte diesen Plan intensiv in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister. Es wurde erklärt, daß das Ahrweiler Gymnasium ein Realgymasium werden sollte, als Alternative zu den humanistischen Gymnasien benachbarter Städte. 1913 begann man mit dem Aufbau der Oberstufe und 1915 konnten die ersten vier Abiturienten nach der Reifeprüfung die Schule verlassen. Im gleichen Jahr erfolgte die offizielle staatliche Anerkennung des »Realgymnasiums Ahrweiler-Neuenahr«.
Nach den Wirren des 1. Weltkrieges festigte sich in den 20er Jahren das schulische Leben wieder in demokratischer Form. Schülerselbstverwaltung und Mitwirkung der Eltern im Elternbeirat wurden wesentliche Faktoren innerhalb der Schulgemeinschaft. Von 1921 – 24 waren sechs Mädchen am Realgymnasium zugelassen worden, doch lehnte später der Elternbeirat die Aufnahme von Mädchen ab, nachdem ein Oberlyzeum auf dem Calvarienberg entstanden war. Auch die Berufsberatung der Schüler wurde eine Aufgabe der Schule. Die Chroniken verzeichnen Wanderungen der Schüler in die Eifel, das Maifeld, in die Alpen und nach Norddeutschland. Solchen Wanderungen wurde gegenüber Auslandsreisen der Vorzug gegeben, was sicher im Zusammenhang mit der Bedeutsamkeit der damaligen Jugendbewegung und der politischen Situation zu sehen ist.
Pionierarbeit leistete das Gymnasium sozusagen auf einem weiteren kulturellen Sektor, indem es sich als erste Schule dem immer bedeutungsvoller werdenden Medium des Films öffnete und ein Schulkino einrichtete, dessen Vorführungen auch von Schülern anderer Schulen und von Einwohnern der Stadt besucht wurden.
Die Amtszeit des 5. Schulleiters, des Direktors Dr. Flam (1931 – 44), fällt weitgehend in die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Zwangsweise wurde das schulische Leben immer mehr politisiert. 1939 wurde der Kreis alleiniger Schulträger, das Gymnasium wurde umbenannt in »Kreisoberschule für Jungen«. Während des Krieges wurde die unterrichtliche Situation immer schwieriger, weil sowohl Lehrer wie Schüler zum Kriegsdienst einberufen waren und häufige Fliegeralarme immer wieder Unterbrechungen des Unterrichtes forderten. Im Herbst 1944 mußte die Schule schließen und am 23. Dezember zerstörten Bombenangriffe einen großen Teil des Gebäudes. Nach dem Krieg wurde schon bald ein neuer Schulleiter, Eugen Japtok, beauftragt, die Wiederaufnahme des Unterrichtes vorzubereiten. Mit 325 Schülern begann neues schulisches Leben des »Realgymnasiums des Kreises Ahrweiler« in der provisorischen Unterkunft der Weinbauschule, mehrere Monate lang auch in der Volksschule und in einem Raum des Weißen Turms. Die Notlage der ersten Jahre des Wiederaufbaus brachte manche Schwierigkeiten mit sich und zwang ständig zu Improvisationen, doch wuchsen andererseits auch Schüler und Lehrer zu einer festen Gemeinschaft zusammen und die Schule fand vollen Rückhalt in der Bevölkerung. Den gemeinsamen Anstrengungen war es zu danken, daß bald an den Wiederaufbau des zerstörten Schulgebäudes in der Wilhelmstraße gedacht werden konnte. Am 8. Januar 1953 schließlich konnte das neue Haus an alter Stelle bezogen werden, ein freudiger Tag für alle, die ihn erlebten. Die 50er Jahre waren Jahre einer ständigen Aufwärtsentwicklung des »Staatlichen Neusprachlichen Gymnasiums Ahrweiler«, wie es inzwischen hieß. Zum Ende des Jahrzehnts war die Schülerzahl so stark angewachsen, daß die erste Oberstufenklasse geteilt werden mußte und künftige Eingangsklassen zweizügig eingerichtet wurden. Dem trug ein erster Erweiterungsbau Rechnung, der zwei Jahre nach der glanzvollen Hundertjahrfeier, 1962, eingeweiht wurde. Seit 1958 war Erich Wolff Leiter des Gymnasiums.
In den 50er und 60er Jahren konnte sich das musische Leben am Gymnasium voll entfalten. Die vom Chor und dem Orchester unter Leitung von Dr. Kölsch und die von der Theaterspielgruppe unter Leitung von Dr. Schlenk gestalteten Aufführungen und Feierstunden vermittelten Schülern, Eltern, Lehrern und der Bevölkerung insgesamt eindrucksvolle Erlebnisse. Dem Streben der Schule nach kultureller Ausstrahlung nicht nur auf wissenschaftlichem Gebiet blieb der Erfolg nicht versagt. Die 70er Jahre wurden Jahre eines optimistischen Aufbruchs in eine Zukunft, deren Möglichkeiten schier unbegrenzt erschienen. Neue Gymnasien im Kreis wurden gegründet oder ausgebaut (Adenau, Sinzig, Bad Neuenahr), neue schulische Medien, neue didaktische und methodische Konzepte wurden entwickelt. Unter dem Schulleiter Werner Strieth (seit 1969) wurde ein weiterer Neubau geplant und errichtet, der 1974, kurz nach dem plötzlichen Tod des Direktors, fertiggestellt wurde. Eine schulinterne Fernsehanlage, ein Sprachlabor, vorzüglich eingerichtete naturwissenschaftliche Räume wiesen in eine neue Zeit. Leider fiel die Aula dem Umbau zum Opfer, und damit war kein Aufführungsort für musische Werke mehr vorhanden. Auch neue pädagogische Vorstellungen wurden verwirklicht. Mit der Realschule wurde eine gemeinsame Orientierungsstufe geschaffen (Klasse 5 und 6, bis 1978), für die Oberstufe wurde im Vorgriff auf eine bundesweite Reform ein Kurssystem eingeführt, das den Schülern erlaubte, zwischen verschiedenen Unterrichtsveranstaltungen der einzelnen Fächer eine ihrer Neigung gemäße Wahl zu treffen.
Peter-Joerres-Gymnasium heute
Fotos: Kreisbildstelle
Seit 1974 ist Rudolf Jakobs Leiter der Schule, die nun das 125. Jahr ihrer Gründung feiert. Wir können mit Stolz zurückblicken auf eine lange Zeit erfolgreicher pädagogischer Bildungsarbeit von hohem Niveau. Zahlreiche Schüler unseres Gymnasiums wurden in den letzten Jahren in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen und erhielten damit die Möglichkeit einer erstklassigen wissenschaftlichen Ausbildung im In- und Ausland. Mehrere Mitglieder des Kollegiums wurden zu Schulleitern oder Schulleiterstellvertretern berufen. In das pädagogische Geschehen ist wieder mehr Ruhe eingekehrt, und dank kleiner werdenden Klassen ist eine intensivere Erziehungsarbeit möglich.
Wie alle Gymnasien ist auch das Peter-Joerres-Gymnasium Ahrweiler von sinkenden Schülerzahlen betroffen, und damit ist das größte vor uns liegende Problem aufgezeigt. Dennoch gehen wir mit offenem Blick und mutig in die Zukunft im Vertrauen darauf, daß wir auch weiterhin unsere Arbeit tun können für die heranwachsende Jugend der Stadt und des Kreises.